EU, Bund, Länder: Open Access muss fair und transparent sein

Open Access hat viele positive Wirkungen, zunehmend werden aber auch weniger erfreuliche Entwicklungen einiger Geschäftsmodelle sichtbar und thematisiert. So stellen etwa die ständig steigenden Publikationsgebühren (wie article processing charges, APCs) viele Forschende vor Probleme. Sogenannte Transformationsverträge scheinen ihr Ziel einer vollständigen Transformation zu Open Access nicht zu erreichen und Großverlage haben sich zu Datenkraken entwickelt, die ihre Leser:innen vielfach tracken mit dem Ziel, Daten über sie zu sammeln und zu kommerzailisieren.

Wissenschaftspolitische Unterstützung für Open Access gibt es schon lange, sei es durch Appelle und Empfehlungen, sei es durch konkrete Vorgaben wie die Open-Access-Mandate vieler Förderer. So haben beispielsweise die Wissenschaftsminister:innen der EU 100 % Open Access für öffentlich geförderte Forschung ab 2020 gefordert – ein Ziel, von dem man auch im Jahr 2023 noch weit entfernt ist. Ging es in den Anfängen der Open-Access-Debatte darum, generell Open Access zu fordern und zu fördern, stellt sich angesichts der genannten Probleme (steigende Kosten, keine Umstellung von Publikationen aus Transformationsverträgen, Daten-Tracking durch Großverlage) zunehmend die Frage nach dem Wie. Innerhalb kurzer Zeit wurden zwei relevante Dokumente veröffentlicht, die recht konkrete Vorstellungen zeigen, wohin sich das wissenschaftliche Publikationswesen entwickeln soll.

Der Rat der Europäischen Union nahm im Mai 2023 das Dokument „Schlussfolgerungen zu Wegen des hochwertigen, transparenten, offenen, vertrauenswürdigen und fairen wissenschaftlichen Publizierens“ an. Darin wird festgehalten, „dass ein unmittelbarer und uneingeschränkter offener Zugang zu Publikationen von öffentlich finanzierter Forschung die Norm sein sollte, wobei die Preisgestaltung transparent und den Publikationsdiensten angemessen sein sollte und die Kosten nicht von einzelnen Autorinnen und Autoren oder Leserinnen und Lesern getragen werden sollten“. Der Rat „nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass die steigenden Kosten für Bezahlschranken beim Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und zum wissenschaftlichen Publizieren zu Ungleichheiten führen und für öffentliche Forschungsförderer und Einrichtungen, die für die Verwendung öffentlicher Mittel verantwortlich sind, untragbar werden“. Als Lösung betont der Rat die Bedeutung gemeinnütziger Open-Access-Modelle, bei denen auch für Autor:innen keine Gebühren anfallen. Er ermutigt die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten, solche Modelle und insbesondere die von der Kommission finanzierte Plattform Open Research Europe zu unterstützen.

Im Juni 2023 veröffentlichten das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Kultusministerkonferenz (KMK) das Dokument „Open Access in Deutschland – Gemeinsame Leitlinien von Bund und Ländern“. Auch darin wird die Wichtigkeit des freien Zugangs zu den Ergebnissen öffentlich finanzierter Forschung betont. Neben einer Bestandsaufnahme der Aktivitäten von Bund und Ländern werden Schlussfolgerungen gezogen, die mehrfach Bezug auf die 2022 veröffentlichten Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Open-Access-Transformation nehmen und in die selbe Richtung gehen wie das Papier des Rates der EU. So ermutigen Bund und Länder die akademischen Einrichtungen, eigene wissenschaftsgetragene Publikationsinfrastrukturen aufzubauen und weiterzuentwickeln, um die Abkehr von den stark verbreiteten gebührenfinanzierten Modellen zu bewerkstelligen.

Die Schlussfolgerungen der beiden Dokumente und die Forderungen nach Kostentransparenz, Vielfalt und der Verringerung der Marktkonzentration sind nicht neu. Politische Unterstützung für wissenschaftsgetragenes, APC-freies Open-Access-Publizieren wurde unter anderem bereits mit dem von mehreren europäischen Organisationen initiierten „Action Plan for Diamond Open Access“ geäußert. Auffallend ist aber, dass – auf für wissenschaftspolitische Papiere ungewöhnlich deutliche Weise – die Probleme durch die Kommerzialisierung des Open-Access-Publizierens beim Namen genannt werden. So ist etwa in der Pressemitteilung zum EU-Papier diesbezüglich wörtlich von „Gefahren beim wissenschaftlichem Publizieren“ die Rede, im Bund-Länder-Dokument heißt es unter anderem, dass „[d]er immer stärkeren Kommerzialisierung von öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Publikationen […] gezielt entgegenzutreten“ ist. Auch eine der Ursachen für die Marktmacht großer Verlage wird adressiert: nämlich, dass das Bewertungssystem der Wissenschaft hauptsächlich auf dem Publikationsort und quantitativen Metriken wie dem Impact Factor basiert und weniger auf der Qualität der Forschung oder dem Beitrag zu Open Science. Hier wird mit Verweis auf DORA bzw. CoARA eine Reform der Forschungsbewertung gefordert.

An der TIB sehen wir uns durch die beiden Dokumente in unserem Engagement für faires, wissenschaftsgeleitetes Open Access bestärkt. Wir betreiben die Open-Access-Plattform TIB Open Publishing für Konferenzbände und Zeitschriften, die nicht nur für Leser:innen, sondern auch für Autor:innen kostenfrei sind. Die TIB unterstützt zudem zahlreiche Diamond-OA-Plattformen wie arXiv, SciPost oder Open Library of Humanities und organisiert im Projekt KOALA konsortiale Lösungen zur Finanzierung von Open-Access-Zeitschriften und Schriftenreihen, die den Autor:innen keine Gebühren in Rechnung stellen.

... arbeitet im Bereich Publikationsdienste der TIB und ist insbesondere für Beratung und Schulungen zum Thema Open Access zuständig.