Von französischen Bibliotheken, einer ehemaligen Streichholzfabrik und der Schönheit der Provence

Über das Projekt „europaktiv“ hatte ich vom 29. Mai bis zum 12. Juni 2022 die Möglichkeit, in der Cité-du-livre Bibliothèque Méjanes in Aix-en-Provence ein Auslandspraktikum zu absolvieren – ein Erfahrungsbericht:

Mit dem Hauptstandort „Allumettes“, untergebracht in einer ehemaligen Streichholzfabrik, und drei weiteren kleinen Zweigstellen ist die Bibliothek mit circa 430.000 Medieneinheiten etwas weniger als halb so groß wie die Stadtbibliothek Hannover.

Ein großer Raum in einem ehemaligen Fabrikgebäude mit vielen hohen und langen Bücherregalen.
Die Bibliothek „Allumettes“ von innen. Foto Vanessa Rose

Vom kalten Deutschland ins warme Frankreich

Angekommen aus dem 13 Grad Celsius „kalten“ Hannover im 31 Grad Celsius warmen Marseille ging es für mich mit dem Flughafentransferbus weiter in die Mittelstadt Aix-en-Provence in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Die ersten paar Tage konnte ich mich mit dem Charme der Stadt Aix-en-Provence bekannt machen und erste Sprachkenntnisse unter Beweis stellen.

Der Pavillon Vendôme, das bedeutendste der zahlreichen barocken Adelspalais in Aix-en-Provence. Foto: Vanessa Rose

Als Gastgeschenk brachte ich für die Bibliothek ein Wörterbuch Französisch-Deutsch des Buch- und Bibliothekswesens mit. Ich hangelte mich außerhalb von Gebäuden meist von Schatten zu Schatten, um die Stadt zu erkunden, denn die Hitze war ich längst nicht gewohnt. Tagsüber waren es meist über 30 Grad Celsius!

Mein Arbeitsalltag in einer französischen Bibliothek

Am 31. Mai ging es für mich los: Ich stellte mich dem französischen Arbeitsalltag. Schnell merkte ich, dass ich mit Madame Édith Wiechert (Responsable technique des collections, Direction de la lecture publique, du patrimoine écrit et des archives) eine tolle Tutorin gefunden hatte. Sie war sehr verständnisvoll und geduldig mit mir. Sie empfing mich noch vor der regulären Öffnungszeit und beging mit mir erstmal den Standort Bibliothèque Méjanes – Allumettes, stellte mich ihren Kolleginnen und Kollegen vor und nahm mich prompt mit in ihren Thekendienst am sogenannten „ZAT“ (zone accueil transactions).

Ausleihtresen in einer großen Halle.
Der Ausleihtresen der Bibliothek. Foto: Vanessa Rose

Die Bibliothek nutzt RFID für all ihre Medien, sodass die Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit haben, ihre entliehenen Medien an vier „Tischen“ zurückzugeben, indem sie die Medien auflegen und der Bildschirm ihnen zeigt, auf bzw. in welchen Bücherwagen (A, B oder C) das Medium gelegt werden muss. Während A und C die unterschiedlichen Seiten der Bibliothek darstellen, werden in B die Medien eingelegt, die entweder an einen anderen Standort der Bibliothek gehören oder von einer anderen Person vorgemerkt sind.

Eine meiner Aufgaben war es, danach die Medien im Vorsortierraum in die verschiedenen Vorsortierregale einzusortieren bzw. Vormerkungen in das Abholregal einzustellen. Auch die Ausleihe funktioniert dabei ganz einfach, indem die Nutzerinnen und Nutzer ihre Bibliothekskarte und anschließend das Medium auf die dafür vorgesehene Fläche legen und danach entscheiden, ob sie dafür eine Quittung erhalten möchten.

Zwei Wochen Bibliotheksalltag in Frankreich

In meinen zwei Wochen konnte ich außerdem am „accueil/inscription“ neue Bibliothekskarten ausstellen (ich bin tatsächlich jetzt auch eine angemeldete Nutzerin, die Anmeldung ist für alle kostenlos!) und eine Etage höher verschiedene Bildbände und Mangas bei der lieben Laurianne katalogisieren. Hier machte sich vor allem mein Gastgeschenk zu einem guten Begleiter, da der Fachjargon noch nicht in mein Alltagsfranzösisch übergegangen war.

Um meine Sprachkenntnisse zu verbessern, nahm ich außerdem an diversen Terminen teil, in denen ich mal mehr und mal weniger verstand. Meine Tutorin war aber auch da sehr fürsorglich und stand mir bei jeder Frage zur Seite. Während ich mich anfangs nicht traute, mich selbst vorzustellen und meine Tutorin dies übernahm, wurde es dann doch immer besser, sodass ich nach etwa vier Tagen immerhin stolz meinen eigenen Namen und meine Auslandspraktikantenrolle verkünden konnte.

Zusätzlich zu meinem ersten Erfolg verstand ich, dass Édith mich und meinen schnellen Fortschritt vor Kolleginnen und Kollegen lobte, was mich zusätzlich freute. Eine witzige Erinnerung ist auch, dass ich Édith bei einem Dienst an der Lesesaalinformation Société fragte, wie sie die Rolltritthocker nennen würde und ich ihr dann offenbarte, dass wir diesen eben „Elefantenfuß“ nennen.

Da die Bibliothek montags immer geschlossen ist, hatte ich mir für diesen Tag vorgenommen, Marseille zu besuchen. Neben dem „Vieux Port“ habe ich mir mit einem Hop-on-Hop-Off-Bus alle nahegelegenen Sehenswürdigkeiten angeschaut und per Audiodeskription beschreiben lassen. Die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit war dabei die „Basilique Notre-Dame de la Garde“. Die Terrasse der Wallfahrtskirche bietet dabei einen unglaublich schönen Panoramablick über Marseille und auf das Mittelmeer.

Sowohl in Aix-en-Provence als auch in Marseille gibt es die typischen engen Gassen, die auch dieser Stadt den gewissen Charme geben. Mit Souvenirs im Schlepptau ging es für mich nach einem ereignisreichen und warmen Tag zurück in meine Unterkunft.

Vanessa Rose steht an einem Aussichtspunkt und blickt auf Marseille.
Ausflug nach Marseille: Vanessa Rose genießt den Ausblick auf Marseille und das Mittelmeer. Foto: Vanessa Rose

Falls du überlegst, einen Auslandsaufenthalt in einem Landzu machen, dessen Sprache du kaum sprichst, kann ich es wärmstens empfehlen! Ich habe Französisch in der Schule gelernt (2011-2016) und gut war ich eher nicht. Verständigen konnte ich mich allemal, aber ich hatte auch große Angst vor Verständnisproblemen. Ich wurde so fürsorglich und verständnisvoll behandelt. Solange man sich Mühe gibt, kommt man sich immer entgegen, so meine Erfahrung.

Mein Fazit: eine schöne und lehrreiche Zeit

Ich blicke auf eine sehr lehrreiche Zeit zurück! Ich möchte mich besonders bei Édith bedanken für die Zeit und Hingabe, mit der sie mich betreut hat. Ich schätze den Kontakt mit ihr sehr und freue mich darauf, die neu gewonnenen „Kolleg:innen“ in der Zukunft zu besuchen. Innerhalb der nächsten Jahre befindet sich die Bibliothek nämlich sukzessiv im Umbau und ich werde es mir nicht entgehen lassen, mir das anzuschauen!

Auch möchte ich mich bedanken beim Projektleiter Herr Stein von europaktiv und Frau Franke von France4Fance, die mich bei der Umsetzung eines Auslandspraktikums unterstützt haben!

... schloss ihre Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste in der Fachrichtung Bibliothek 2021 an der TIB ab. Aktuell arbeitet sie im Team Bereitstellung und Auslieferung (Magazin/Reproarbeiten) und kümmert sich um die Volltextversorgung sowie Bestandspflege.