Konsortium Meeting 3.0 – NFDI4Chem trifft sich in Hannover

In Pandemie-Zeiten ist alles anders. Nach mehr als 700 sehr erfolgreichen Tagen Projektlaufzeit fand das nunmehr schon dritte Treffen des Chemiekonsortium NFDI4Chem der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) das erste Mal in Person und nicht online statt. Am 10. und 11. Oktober trafen sich auf Einladung der TIB über 70 Mitglieder aus allen Task Areas (TA) des Konsortiums sowie nationale und internationale Mitglieder der Advisory Boards im Leibnizhaus in Hannover zu ihrem jährlichen Austausch über den Projektfortschritt. 

Nach einer kurzen Begrüßung durch die beiden Sprecher des Konsortiums, Prof. Dr. Christoph Steinbeck (FSU Jena) und Dr. Oliver Koepler (TIB), begann der erste Tag unter dem Motto “Rückschau”, mit Kurzberichten aus den sechs Task Areas durch die TA-Verantwortlichen.

Übergeordnetes Ziel von NFDI4Chem ist die Digitalisierung und Vernetzung aller Schritte der chemischen Forschung. Im Mittelpunkt dieses Konzeptes stehen elektronische Laborbücher (ELN) und deren Vernetzung mit der Laborinfrastruktur, das SmartLab. ELNs ermöglichen eine frühzeitige  integrierte und digitale Datenerfassung, -verwaltung und -analyse. Hierzu berichtete Dr. Nicole Jung (KIT), Leitung der TA2 – Smart Lab, über Fortschritte bei der Entwicklung von Chemotion ELN für neue Datenformate von Laborgeräten und deren Analyse. Chemotion ELN ist die Referenzimplementierung von NFDI4Chem, das im Rahmen des Projektes für mehr und mehr Teildisziplinen der Chemie bedarfsorientiert erweitert wird. Zum Berichtszeitpunkt können mehr als 30 Installationen in Deutschland verzeichnet werden.

Im Anschluss stellte Dr. Felix Bach (FIZ Karlsruhe), TA3 – Repositories in seinem Vortrag die Fortschritte in diesem Bereich vor. Die Analyse von Chemie-Repositorien ist abgeschlossen und steht in der NFDI4Chem Knowledge Base im Artikel “How to choose the right repository” mit detaillierten Profilen zur Verfügung. Ein weiteres Highlight ist die Inbetriebnahme des Repositorium RADAR4Chem für Chemie-Daten aller Art. Es folgte der Bericht von Dr. Steffen Neumann (IPB Halle) und dessen Team aus der TA4 – Standards in dem die Arbeiten zu den Themen Mindestinformationsstandards in der Chemie (MIChI), FAIRe Daten & -formate, domänenspezifische Metadatenprofile & -schemata vorgestellt wurden. Als Teil der Maßnahmen zur Verbesserung der FAIRness von Daten bei Publikationen wurde die Analyse der Autorenrichtlinien von Chemie-Journalen vorgestellt. Gemeinsam mit zahlreichen Verlagen arbeitet NFDI4Chem an der Verbesserung dieser Richtlinien und der Integration von Empfehlungen für Daten-Repositorien.

Dr. Johannes Liermann (JGU Mainz) präsentierte im Anschluss die Task Area 5 – Community and Training. Das Team von TA5 führte im letzten Jahr eine steigende Anzahl von Workshops zum Forschungsdatenmanagement (FDM) durch, die in der Chemie-Community auf großes Interesse stoßen. TA5 betreibt ferner NFDI4Chem Knowledge Base mit umfangreichem Hintergrundwissen, Anleitungen und Tipps zum FDM in der Chemie. Die Öffentlichkeitsarbeit umfasste ferner Tagungen, Social Media und den NFDI4Chem Newsletter. Der Blick zurück endete mit der Präsentation von Dr. Koepler, TA6 – Synergies. In der Task Area wurden im vergangenen Jahr der NFDI4Chem Suchservice für die Repositorien der NFDI4Chem in Betrieb genommen und die nächste Version des Terminologie-Service entwickelt. Eng verbunden mit dem Terminologie Service sind auch die Arbeiten zur Ontologieentwicklung, hier hat NFDI4Chem den ersten internationalen Ontologies4Chem Workshop zu Ontologien in der Chemie ausgerichtet. TA6 koordiniert ferner die Aktivitäten des Konsortiums zu Querschnittsthemen, die gemeinsam von allen Konsortien in der NFDI bearbeitet werden.   Dazu zählen u.a. Identity und Access Management (IAM), domänenübergreifende Metadatenstandards, Ontologieentwicklung sowie rechtliche Aspekte zu FAIRem FDM. NFDI4Chem gestaltet diese Themen in den Sektionen und Arbeitsgruppen der NFDI entscheidend mit. 

In der sich anschließenden allgemeinen Diskussionsrunde mit den anwesenden Mitgliedern des Advisory Boards aus Industrie, Verlagswesen sowie nationaler und internationaler Community stießen die in den TA-Vorträgen dargelegten Ergebnisse durchweg auf äußerst positives Feedback.

Am Nachmittag konnten sich die Teilnehmer bei der Poster- und Demo-Session detaillierter über die einzelnen Projekte und Services von NFDI4Chem informieren und sich untereinander intensiv austauschen.

Credit: Bierwagen, TIB

Am zweiten Tag wurden unter dem Motto “Vorausschau” nächste Schritte und Maßnahmen der Projekte vorgestellt. Die erste Session widmete sich der Vision einer Föderation von Diensten. Die enge Verzahnung der NFDI4Chem Dienste eröffnet weitere Potenziale für  ein benutzerfreundliches und durchgängig digitales Forschungsdatenmanagement. Elementarer Bestandteil dieser Vision sind auch der an der TIB entwickelte Terminologie-Service und der Such-Service.

Anschließend gab Prof. Dr. Udo Kragl (Uni Rostock), NFDI4Cat einen Einblick in die Arbeit eines Nachbar-Konsortiums in der NFDI. Er berichtete über die Schwerpunkte der Arbeiten mit Daten in der Katalyse und Gemeinsamkeiten zur Chemie und den Ingenieurwissenschaften. Die Kooperation NFDI4Chem, NFDI4Cat und NFDI4Ing zeigte anschaulich die konsortienübergreifende Zusammenarbeit.

In ihrem Vortrag “FDM in Zukunft lehren” ging Prof. Dr. Sonja Herres-Pawlis (TA5, RWTH Aachen) auf die unterschiedlichen Dimensionen und Herausforderungen bei der Vermittlung von Datenkompetenzen ein. Je nach Teildisziplin, Karrierestufe und Vorkenntnissen bedarf es maßgeschneiderte Angebote in der universitären Lehre, um das FDM fest im Forschungsalltag zu etablieren. So hat NFDI4Chem bereits erste Pilotprojekte zur Integration von elektronischen Laborjournalen in die Lehre entwickelt und durchgeführt. 

Die internationale Bedeutung der Arbeit von NFDI4Chem hinsichtlich Standards für Daten und Metadaten wurde durch einen Vortrag Leah McEwen (Cornell University) in ihrer Rolle als Vorsitzende des Committee on Publications and Cheminformatics Data Standards (CPCDS) der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) beleuchtet. Die IUPAC ist das internationale Gremium für Normen zur Nomenklatur, Dateiformaten, Messmethoden und Terminologien in der Chemie. Im letzten Jahr konnten zahlreiche gemeinsame Aktivitäten zwischen IUPAC Projekten und NFDI4Chem angestoßen werden. Ein Beispiel ist die gemeinsame Bearbeitung des Use Case Chemie im Projekt “WorldFAIR: Global cooperation on FAIR data policy and practice”. 

Den Abschluss der Veranstaltung bildete die Podiumsdiskussion zum Thema “Kultureller Wandel und Fehlerkultur” zwischen Dr. Joachim Richert (BASF SE), Prof. Dr. Sonja Herres-Pawlis (RWTH Aachen), Cord-Wiljes (NFDI Geschäftsstelle), Leah McEwen (IUPAC), Laura Woodward-Heni (Wiley-VCH) und Maximilian Frank (LMU München). Moderiert von Dr. John Jolliffe (JGU Mainz) debattierten die Teilnehmenden über den Umgang mit Fehlern in der Chemie-Forschung: Welchen Einfluss hat ein oftmals  vorherrschender Publikationsdruck auf den Umgang mit Fehlern und deren offene Diskussion? Welchen Einfluß hat eine schwach ausgeprägte Fehlerkultur auf Themen wie OpenScience und die Bereitschaft von Forschenden, ihre Daten FAIR und offen zu veröffentlichen? Die Diskussion legte dar, wie wichtig die Anpassungen der äußeren Rahmenbedingungen für einen kulturellen Wandel hin zu einer offenen Fehlerkultur sind. Positive Anreize zum Offenlegen von Daten, Mechanismen zur Qualitätskontrolle im Publikationsprozess, die Steigerung der wissenschaftlichen Reputation können unterstützend wirken. Den Abschluss des 3. Konsortium Meetings bildeten zwei am Nachmittag parallel stattfindende Workshop-Sessions zu den Themen “Datenformate” von Steffen Neumann (IPB Halle) und “Rechtliche Aspekte des FDM” von Thomas Hartmann (FIZ Karlsruhe).

Das Ziel von NFDI4Chem ist die Bereitstellung einer nachhaltigen Infrastruktur für das Forschungsdatenmanagement (FDM) in der Chemie. Die Digitalisierung aller wichtigen Schritte in der chemischen Forschung ist eine zentrale Aufgabe von NFDI4Chem, um Wissenschaftler beim Umgang mit Forschungsdaten zu unterstützen.

NFDI4Chem hat sich im April 2018 als Initiative engagierter VertreterInnen von Forschung- und Infrastruktureinrichtungen, Rechenzentren, Fachgesellschaften und weiteren Beteiligten formiert. Seit Oktober 2020 erfolgt die Förderung als Konsortium in der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). NFDI4Chem wird von der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), der Deutschen Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie (DBG) und der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) – die rund 40.000 Mitglieder repräsentieren – unterstützt, um die Chemie-Community als Ganzes zu erreichen.

In der aktuellen Förderphase konzentriert sich NFDI4Chem auf Daten zu Molekülen und Reaktionen, einschließlich Daten für ihre experimentelle und theoretische Charakterisierung.

works as Research associate in the field of research data management (RDM) within the NFDI4Chem project (Task Area 6 - Synergies) at TIB - Leibniz Information Center for Science and Technology in Hannover, Germany.

... leitet das Lab Linked Scientific Knowledge und beschäftigt sich mit Wissens- und Forschungsdaten-Management und der Entwicklung und Anwendung von Ontologien.
Er ist zusammen mit Prof. Christoph Steinbeck, Universität Jena Sprecher des Chemiekonsortiums der NFDI4Chem in der Nationalen Forschungsdaten Infrastruktur.