Die Sammlung Albrecht Haupt – historische Zeugnisse der Architektur- und Kunstgeschichte

Ein Beitrag von Anette Schröder, Leibniz Universität Hannover, der erstmals im Ehemaligenmagazin „LeibnizCampus“ (Ausgabe 27/2022, S. 18/19) erschienen ist.

Die Sammlung Albrecht Haupt ist ein unsichtbarer Schatz. Im Magazin der TIB, hinter Gittern, in Regalen oder in Schubladen geschützt vor Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen wird ein bedeutender Bestand historischer Architekturwerke, Grafiken, Zeichnungen und Reiseskizzen aus über 350 Jahren aufbewahrt. Das älteste Stück, ein Buch, ist auf das Jahr 1508 datiert, die jüngsten Bände sind einige Faksimile-Ausgaben des Wasmuth Verlags aus den 1890er-Jahren.

Abbildung einer Radierung des Kapitols in Rom
Das Kapitol in Rom, Radierung von Alessandro Specchi, Rom 1692; Quelle: TIB, Sammlung Albrecht Haupt, gr.I.GR.A.2:3

Zusammengetragen wurden die wertvollen druckgrafischen Werke und Bücher von dem Architekten, Bauforscher, Kunsthistoriker und Hochschullehrer Albrecht Haupt im Laufe seiner langjährigen Sammlertätigkeit auf Forschungsreisen durch Europa – sie stammen aus Kunstauktionen, Antiquariaten und Privatsammlungen.

Geboren 1852 in Büdingen, studierte Haupt in Gießen, Karlsruhe und Hannover Architektur, war zunächst freier Architekt bis er von 1876 bis 1878 beim großherzoglich badischen Schlossbauamt in Karlsruhe und Büdingen tätig war. Daran anschließend zog er nach Hannover und war zwei Jahre bei dem Architekten Edwin Oppler, dem Hauptvertreter der neugotischen Hannoverschen Architekturschule, angestellt, bis er sich selbstständig machte und als Privatdozent an der Technischen Hochschule Hannover (der heutigen LUH) lehrte.

Porträt von Albrecht Haupt
Porträt von Albrecht Haupt (1852-1932), Fotografie 1927

Seine Doktorwürde erlangte er 1893, ein Jahr später wurde Haupt zum Honorarprofessor ernannt. Er lehrte deutsche, spanische und portugiesische Baukunst. 1923 wurde er ordentlicher Professor an der TH Hannover, drei Jahre später wurde er emeritiert.

Haupt hat während seiner Zeit als Architekt zahlreiche Gebäude entworfen und umgebaut, so das historische Gebäude des Leibnizhauses in der Schmiedestraße – in dem Gottfried Wilhelm Leibniz von 1698 bis 1716 lebte – sowie das Schloss Wiligrad und den Urnenhain auf dem Stadtfriedhof in Engesohde in Hannover.

Schon zu Lebzeiten im Jahr 1901 vermachte Albrecht Haupt seine umfangreiche Sammlung der Bibliothek der damaligen Technischen Hochschule Hannover, mit dem Wunsch, dass der Bestand als Ganzes erhalten werden und für Studierende und Wissenschaftler*innen nutzbar sein solle. Und damit sind heute nicht unerhebliche Schwierigkeiten verbunden. „Nutzbarkeitsanforderungen und Bestandserhaltung in Einklang zu bringen, ist manchmal eine Herausforderung“, erläutert Hedda Saemann, die als Fachreferentin die Sammlung Albrecht Haupt inhaltlich betreut. Das liegt natürlich am Alter der Bücher, Grafiken und Zeichnungen. „Bei jedem Aufklappen einer solchen Buchantiquität besteht die Gefahr, dass der Einband oder Buchrücken Schaden nimmt“, sagt Saemann, „und auch Klimaschwankungen, zum Beispiel durch die Bereitstellung in einem anderen Raum, bedeuten Stress für die Materialien“.

Dr. Hedda Saemann zeigt an einem Tisch stehend eine Grafik aus der Sammlung Haupt.
Dr. Hedda Saemann zeigt eine Grafik aus dem Bestand. Foto: Schröder

Der erste Teil der Sammlung enthält etwa 6.000 von Albrecht Haupt eigenhändig angefertigte architektonische Reiseskizzen und Studienblätter, die während zahlreicher Reisen entstanden und die ihm für seine Lehrveranstaltungen und Veröffentlichungen dienten. „Hervorzuheben sind hier besonders seine Studien zur Renaissancearchitektur in Spanien und Portugal sowie Norddeutschland, die Grundlage für eine Reihe einschlägiger und für ihre Zeit wegweisende Publikationen sind“, erläutert Saemann.

Der zweite Teil umfasst rund 6.800 grafische Einzelblätter, zum Beispiel Handzeichnungen und Druckgrafiken, die überwiegend aus dem 16. bis 19. Jahrhundert stammen und die teilweise nur durch eine handschriftliche Kartei erfasst sind. Zu sehen sind allegorische Motive, figürliche und ornamentale Zeichnungen, Gartenansichten und Interieurs, unter anderem Werke bedeutender europäischer Künstler, darunter – wie Haupt selbst betonte – „solche von Dürer, Altdorfer, Michel Angelo und anderen großen Italienern“.

Federzeichnungen von Schmuckentwürfen von Albrecht Dürer
Die von Albrecht Dürer angefertigten drei Federzeichnungen von Schmuckentwürfen auf kleinen, quadratisch zugeschnittenen Blättern gehören zu den prominentesten Zeichnungen der Sammlung Albrecht Haupt. Quelle: TIB Slg. Albrecht Haupt, kl. D. Z. 61

Der dritte Teil besteht aus 1.600 Büchern zu Architekturgeschichte, -theorie und Gartenkunst. Nahezu lückenlos decken sie die wichtigsten architekturhistorischen Werke Italiens, Frankreichs, Deutschlands und der Niederlande vom beginnenden 16. Jahrhundert bis ins frühe 19. Jahrhundert ab. Diese Titel können im TIB-Portal unter tib.eu recherchiert und an den Sonderleseplätzen am TIB-Standort Technik/Naturwissenschaften genutzt werden.

Um die umfänglichen, jedoch sehr empfindlichen Grafiken und Zeichnungen auch internationalen und überregionalen Wissenschaftler:innen zugänglich machen zu können, widmet sich ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Projekt der Digitalisierung und systematischen Erschließung dieses Teilbestands. Seit November 2019 arbeiten Mitarbeiter:innen der TIB in enger Kooperation mit Wissenschaftler:innen vom Lehrstuhl für Bau- und Stadtbaugeschichte der LUH zusammen, um die umfangreiche Sammlung für die architektur- und kunstgeschichtliche Forschung zu sichern.

Das Projekt eröffnet so der europäischen Architektur-, Garten-, Stadt- und Kunstgeschichte wertvolle, bislang nahezu unbekannte Objekte. Das Projekt dauert bis zum Oktober 2022 an, eine Verlängerung und Folgeförderung ist bereits beantragt. Die konservatorische und restauratorische Bearbeitung der Sammlung erfolgt seit 2011 mit Unterstützung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur.

Deckenmalerei der Franziskanerkirche in Danzig, von Albrecht Haupt gezeichnet.
Franziskanerkirche in Danzig, Deckenmalerei der polnischen Kapelle, Aquarell 1891, Zeichnung von Albrecht Haupt selbst. Quelle: TIB, Sammlung Albrecht Haupt, 7 GoRe/28
Aquarellzeichnung eines Kabinettschranks
Kabinettschrank aus Ebenholz, Aquarell, undatiert; Quelle: TIB, Sammlung Albrecht Haupt, 15Re/86

Das Projekt GESAH an der TIB

Die Sammlung Albrecht Haupt, die zu den Sonderbeständen der TIB gehört, bietet ein großes Potenzial für die internationale bau- und kunstwissenschaftliche Forschung, insbesondere die grafischen Einzelblätter mit ihrem breiten inhaltlichen und technischen Spektrum. Albrecht Haupt (1852-1932), der den Großteil seines Lebens in Hannover als Architekt und Dozent für Baugeschichte an der damaligen Technischen Hochschule tätig war, trug diese einmalige Sammlung zusammen. Neben seiner Bibliothek und den von ihm selbst gezeichneten Reiseskizzen gehören zahlreiche Einzelgrafiken dazu. Diese circa 6.800 Druckgrafiken und Zeichnungen zu verschiedensten Themen reichen zeitlich vom 15. bis ins 19. Jahrhundert.

Die Digitalisierung der Grafiken ist Bestandteil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten GESAH-Projektes, in dem sich die TIB während der dreijährigen Laufzeit (bis 10/2022) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Markus Jager, Professor für Bau- und Stadtbaugeschichte, am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (IGT) der Leibniz Universität Hannover der Erschließung und Veröffentlichung der Sammlung widmet.