SUCHO x NFDI4Culture: eine Kollaboration zur Rettung des ukrainischen Kulturerbes

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SUCHO und NFDI4CULTURE koordinieren Spenden von Digitalisierungsgeräten gemeinsam mit Partnern aus Deutschland, Schweden und Polen.

Wir bauen hiermit auf der Pressemitteilung der ADW Mainz auf und ergänzen weitere Hintergrundinformationen, insbesondere insbesondere zur Rolle der TIB und des Open Science Lab in der Anfangsphase der Zusammenarbeit sowie zu weiteren Verbindungen zu SUCHO und Europeana.

Jeden Tag werden ukrainische Bibliotheken, Archive und Museen von russischen Streitkräften zerstört. Um das kulturelle Erbe des Landes zu bewahren, benötigen ukrainische Kultureinrichtungen dringend Unterstützung. In den vergangenen Monaten schloss sich die internationale Freiwilligeninitiative SUCHO (Saving Ukrainian Cultural Heritage Online) zusammen, um den Erhalt des ukrainischen digitalen kulturellen Erbes in Form von Webseiten, Online-Publikationen und Datenbanken der zahlreichen Kultur-, Bildungs- und anderen bedeutenden zivilgesellschaftlichen Einrichtungen des Landes zu sichern. Dieser reiche Schatz an digitalem Kulturgut wird von einer großen internationalen Gruppe von Bibliothekar:innen, Forschenden und Technolog:innen gespeichert und verwaltet.

Ukrainisches Kulturerbe digitalisieren. SUCHO-Poster: Vlad Kholodnyi

Zunächst nahm das Open Science Lab der TIB Kontakt mit SUCHO auf und boten Unterstützung für die Infrastruktur von SUCHOs Webarchivsammlung und den entsprechenden Metadaten an. Diese Kontaktaufnahme fand im Rahmen von NFDI4Culture statt, bei der die Entwicklung von Infrastruktur für kulturelle Daten und Metadaten eine wichtige Rolle in der deutschen Wissenschaftslandschaft spielt. Nach der positiven Resonanz der SUCHO-Gründer:innen wurde die Verbindung durch Gespräche mit Professor Torsten Schrade, Sprecher des Konsortiums NFDI4Culture und Leiter der Digitalen Akademie an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur sowie dem Direktor der NFDI, Prof. Dr. York Sure-Vetter, erweitert. Seitdem hat die NFDI SUCHO Computerressourcen zur Verfügung gestellt und die Diskussion begonnen, wie die Forschungsinfrastruktur von NFDI4Culture besser in die Zusammenarbeit integriert werden kann.

In den vergangenen Wochen hat nun die Zusammenarbeit konkrete Formen angenommen: SUCHO arbeitet mit NFDI4Culture und der Schwedischen Nationalbibliothek zusammen, um ukrainische Kultureinrichtungen bei der digitalen Bewahrung des materiellen Erbes vor Ort zu unterstützen. Der besondere Schwerpunkt dieser neuen Partnerschaft liegt auf der Lieferung von Digitalisierungsausrüstung direkt an die Einrichtungen, die sie benötigen. Mithilfe von Vertreter:innen des ukrainischen Kulturministeriums und des ukrainischen Bibliotheksverbands sowie der UNESCO und dem polnischen Nationalen Institut für kulturelles Erbe werden logistische Verbindungen hergestellt, um die Ausrüstung über verschiedene Lieferketten sicher auf ukrainisches Gebiet zu bringen.

Bereits in der ersten Woche des Ukrainekriegs hatte Prof. Dr. Sören Auer, Direktor der TIB, unbürokratisch einen Zufluchts- und Arbeitsort für geflüchtete ukrainische Wissenschaftler:innen geschaffen. Dr. Maryna Nazarovets von der Wissenschaftlichen Bibliothek Maksymovych, Taras Shevchenko National University of Kyiv war im März 2022 als erste von inzwischen sieben Gastwissenschafler:innen im Rahmen des Stipendienprogramms aus der Ukraine an die TIB nach Hannover gekommen. Dort arbeitete sie zunächst als Stipendiatin im Open Science Lab und wurde nach einigen Monaten auf Initiative von Prof. Dr. Ina Blümel in NFDI4Culture integriert.

Helpdesk bringt spendende und bedürftige Einrichtungen zusammen

Entscheidend bei der Zusammenführung der Institutionen, die die Digitalisierungsgeräte benötigen, mit denjenigen, die bereit sind, sie zu spenden, ist ein Prozess der Abstimmung und sorgfältigen Koordination. NFDI4Culture beteiligt sich an diesen Bemühungen, indem es die im Konsortium gebündelte Expertise nutzt und einen speziellen Helpdesk bereitstellt, der spendende und bedürftige Institutionen zusammenbringt sowie technische Beratung und Schulungen anbietet. Die Bemühungen werden vom NFDI4Culture Aufgabenbereich 1: Digitalisierung und Anreicherung digitaler Kulturgüter koordiniert.

„Erst möglich wird diese Arbeit durch das Vorhandensein von Personal mit Hintergrund im GLAM-Bereich und gleichzeitig den nötigen ukrainischen Sprachkenntnissen, und wir sind sehr dankbar, dass wir mit Maryna Nazarovets diese wichtige Rolle besetzen konnten“, erklärt Blümel, die den Beitrag der TIB an NFDI4Culture koordiniert. Die SUCHO-Mitglieder Andreas Segerberg von der Society of Archives and Records Management in Schweden und Lars Ilshammar, stellvertretender schwedischer Nationalbibliothekar, unterstützen diese gemeinsamen Bemühungen zusätzlich durch die Entwicklung eines speziellen Systems, mit dem der Bedarf und die Verfügbarkeit von Ausrüstungsgegenständen verfolgt werden können.

Der Mitbegründer von SUCHO, Sebastian Majstorovic vom Österreichischen Zentrum für Digitale Geisteswissenschaften und Kulturelles Erbe und Hauptorganisator der neuen Arbeitsgruppe für Digitalisierungsausrüstung, sagt: „Die Digitalisierung des kulturellen Erbes ist kein Luxus, sondern eine dringende Notwendigkeit – besonders in Kriegszeiten. Die ukrainischen Bibliotheken, Museen und Archive brauchen jetzt Digitalisierungsausrüstung und Schulungen. Die von SUCHO und NFDI4Culture gebildete Task Force wird versuchen, die internationalen Partner zusammenzubringen, die die Mittel haben, Ausrüstung, Zeit und Geld zu spenden, um das nationale Gedächtnis der Ukraine zu schützen.“

Diese produktive Zusammenarbeit soll über die Grenzen Deutschlands, Schwedens, Polens und der Ukraine hinausgehen und dank einer neuen Anstrengung zur Koordinierung der Aktivitäten auch im Rahmen von Europeana viele weitere Partner aus Europa einbeziehen. Eine spezielle Arbeitsgruppe in Europeana zielt darauf ab, paneuropäische Initiativen zur Unterstützung der Erhaltung des kulturellen Erbes in der Ukraine zu koordinieren und einen Weg zur Zusammenführung von Daten im Europeana-Repository zu schaffen. Sebastian Majstorovic als Vertreter von SUCHO und Lozana Rossenova als Vertreterin von NFDI4Culture und dem Open Science Lab der TIB wurden in den Lenkungsausschuss der Arbeitsgruppe gewählt und planen, den NFDI4Culture Helpdesk noch zentraler in die Europeana-Plattform und die laufenden Unterstützungsmaßnahmen zu integrieren.

Ukrainische Kultureinrichtungen, die Spenden für Digitalisierungsgeräte benötigen, und internationale Partner, die Hilfslieferungen anbieten können, wenden sich bitte an den NFDI4Culture Helpdesk oder an equipment@sucho.org. Wenn Sie die Digitalisierung finanziell unterstützen möchten, können Sie dies auch direkt über die spezielle OpenCollective-Webseite tun.

Über die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)

Mit der Initiative „Nationale Forschungsdateninfrastruktur“ (NFDI) sollen die wertvollen Datenbestände aus Wissenschaft und Forschung für das gesamte deutsche Wissenschaftssystem systematisch erschlossen, vernetzt und nachhaltig sowie qualitativ nutzbar gemacht werden. Bund und Länder wollen insgesamt bis zu 30 Konsortien mit bis zu 90 Millionen Euro fördern. Die TIB ist bereits seit der ersten Stunde maßgeblich am Aufbau verschiedener der NFDI-Konsortien beteiligt.

Dr. Lozana Rossenova ist Mitarbeiterin im Open Science Lab der TIB und arbeitet im Projekt NFDI4Culture in den Bereichen Datenanreicherung und Entwicklung von Wissensgraphen. // Dr Lozana Rossenova is currently based at the Open Science Lab at TIB, and works on the NFDI4Culture project, in the task areas for data enrichment and knowledge graph development.