Drei Fragen an Dr. Alexander Pöche

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Als Leiter des Referats Lizenzen ist Dr. Alexander Pöche seit 2014 an der TIB für Lizenzen verantwortlich. Was genau seine Aufgaben sind und welche Bedeutung Lizenzen für eine Bibliothek haben, erklärt er in diesem Interview.

Für Bibliotheken spielen Lizenzen eine besondere Rolle, denn neben den tausenden Büchern im Regal gibt es immer mehr Datenbanken, elektronische Zeitschriften und E-Books. Verraten Sie uns doch, was diese Medien mit dem Thema Lizenzen zu tun haben.

Wenn man ein gedrucktes Buch oder eine gedruckte Zeitschrift kauft, ist von vornherein klar geregelt, was man damit als Bibliothek machen darf. Bei elektronischen Medien sieht das hingegen anders aus. Hier erwirbt man in erster Linie Nutzungsrechte und diese müssen in einer Lizenz – also einer Vereinbarung zwischen dem Rechteinhaber, in der Regel Verlage, und der Bibliothek – bestimmt und fixiert werden.

Und was genau sind dabei Ihre Aufgaben, die Ihrer Kolleg:innen und der TIB?

Dr. Alexander Pöche
Dr. Alexander Pöche // Illustration Jonas Hauss/TIB

Die Aufgabe besteht in dem Abschluss dieser Lizenzen mit Verlagen und Fachgesellschaften. Dafür müssen wir Angebote einholen, Kosten in Relation zu eingeräumten Nutzungsrechten setzen, Verträge prüfen und natürlich auch immer wieder über Verbesserungen verhandeln. Da wir nicht nur Universitätsbibliothek, sondern auch Zentrale Fachbibliothek sind, haben wir einen ganz speziellen Bedarf hinsichtlich der Nutzungsrechte – das macht die Lizenzabschlüsse neben der schieren Menge und den vielen Anbietern aus verschiedenen Teilen der Welt so kompliziert.

Das alles macht natürlich nicht das Referat Lizenzen allein, sondern in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Teams aus dem Bereich Erwerbung und Katalogisierung.

Rückblickend gesehen – wie hat sich die Bedeutung von Lizenzen im Bibliotheksalltag verändert? Und noch interessanter: Wie wird sie sich in den kommenden Jahren entwickeln und welche Auswirkungen hat das auf die Arbeit der TIB?

Print ist zumindest im Bereich der TIB-Fächer ein auslaufendes Modell. Die Anbieter setzen inzwischen oft ausschließlich auf elektronische Produkte, die Kundinnen und Kunden wünschen digitale Inhalte und auch die TIB hat eine E-Preferred-Strategie. Wir haben die Zeiten, als es eine digitale Version als Bonus zum Kauf eines Printexemplars dazu gab, schon länger hinter uns gelassen.

Der Erwerbungsprozess ist dabei deutlich anspruchsvoller geworden und auch die Anforderungen an das Personal sind gestiegen. Erhöhte Komplexität gibt es auch hinsichtlich der Bereitstellung von Inhalten. Damit jede und jeder in der Bibliothek weiß, was man mit dem jeweiligen E-Book oder der elektronischen Ausgabe einer Zeitschrift machen darf, müssen die Lizenzinformationen, also die Nutzungsrechte, dokumentiert und kommuniziert werden. Um noch einmal den Vergleich mit Print aufzunehmen: Wenn man 100 gedruckte Bücher kauft, gelten für alle Bücher die gleichen Nutzungsmöglichkeiten. Wenn man 100 E-Books erwirbt, kommen mit etwas Pech 100 unterschiedliche Lizenzvereinbarungen mit variierenden Nutzungsrechten dabei heraus.

Der Blick nach vorn ist extrem spannend. Die Open-Access-Transformation hat deutlich an Fahrt aufgenommen. Die Zahl der frei verfügbaren Zeitschriften, Konferenzberichte und auch Bücher wird stetig steigen. In der Folge wird der Bedarf an Verlagslizenzen wieder sinken, wenn auch nicht ganz verschwinden. Es werden noch lange Produkte existieren, insbesondere bestimmte Arten von Datenbanken, die nicht von der Open-Access-Transformation berührt werden und weiterhin lizenziert werden müssen. Und selbst wenn die Anzahl der Lizenzverhandlungen irgendwann abnimmt, wird es, solange es kommerzielle Anbieter gibt, einen Bedarf an Verhandlungen mit diesen geben – dann eben seltener über Lizenzen, dafür umso häufiger über Dienstleistungen im Publikationsprozess und deren Finanzierung.

Die Open-Access-Transformation oder besser das gewünschte Ergebnis des Prozesses hat natürlich nicht nur Auswirkungen auf den Lizenzbereich, sondern betrifft die TIB insgesamt. Die freie Verfügbarkeit von Fachinformationen schafft ganz neue Bedarfe bei den Forschenden, auf die die TIB mit einer stärkeren Ausrichtung auf Dienstleistungen reagieren muss.

Konsortien und Lizenzen

Als Deutsche Zentrale Fachbibliothek für Technik sowie Architektur, Chemie, Informatik, Mathematik und Physik verhandelt die TIB Lizenzen mit Verlagen und anderen Informationsanbietern und unterstützt im Rahmen vielfältiger Lizenzmodelle deutschlandweit den Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen. Die Bildung von Konsortien ist bei der Versorgung mit elektronischen Fachinformationen ein wichtiger Bestandteil: Die TIB organisiert als Teil ihres Auftrags zur überregionalen Literaturversorgung Konsortien und erleichtert damit Hochschulen, Forschungseinrichtungen und wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland den Zugang zu verschiedenen Lizenzprodukten.

Die TIB führte 2021 erfolgreich Verhandlungen für 42 Konsortien. Diese Konsortialangebote wurden im Lizenzjahr 2022 insgesamt 1152-mal in Anspruch angenommen, verteilt auf 290 Einrichtungen als Kunden der TIB.