Juristische Publikationskultur im Wandel – neue qualitätsgesicherte Publikationsformen

Die juristische Publikationskultur befindet sich im Wandel. Während die Autorinnen dieses Artikels im Studiums mangels eines entsprechenden Angebots fast ausschließlich noch klassische Medien wie zum Beispiel Lehrbücher und Zeitschriften in gedruckter Form nutzten, gibt es heutzutage juristische Lehrveranstaltungen als Podcasts, wissenschaftliche Open-Access-Blogs mit Peer Review und Lehrbücher als Open-Access-E-Books. Diese digitalen, kostenfrei verfügbaren wissenschaftlichen Publikationen sind qualitätsgesichert, weltweit ohne Beschränkungen jederzeit verfügbar und finden dadurch eine immer größere Verbreitung.

Blogs

Im Bereich der wissenschaftlichen Blogs erfüllen zwei die Anforderungen an qualitätsgesichertes wissenschaftliches Publizieren – das Verfassungsblog und das Völkerrechtsblog.

Verfassungsblog – on matters constitutional

Das Verfassungsblog, gegründet 2009,  ist ein Blog mit Peer Review zu verfassungsrechtlichen und rechtspolitischen Themen. Es erscheinen Artikel sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache. Mittlerweile haben über 1000 verschiedene Autoren Artikel im Verfassungsblog veröffentlicht.

Seit März 2021 wird das Verfassungsblog im Rahmen des Projektes Offener Zugang zu Öffentlichem Recht (OZOR) gefördert. OZOR will dazu beitragen, Open Access als frei zugängliche Publikationsform in der Rechtswissenschaft zu etablieren.

Das Verfassungsblog ist in vier Bereiche unterteilt: Das eigentliche Verfassungsblog, die Verfassungsdebatte, den Verfassungspod und das Verfassungseditorial.

Im Verfassungsblog finden sich diverse Artikel zu verfassungsrechtlichen Fragen in Deutschland, der EU und weltweit. Hervorzuheben ist dabei die Kommentarfunktion, die – im Gegensatz zu klassischen (Zeitschriften-)Artikeln – eine direkte Reaktion auf den Inhalt der Artikel ermöglicht.

Die Kommentarfunktion wird auch im Bereich der Verfassungsdebatte (einer Sammelkategorie für Artikel, die sich mit einem bestimmten Themenkomplex befassen und diese unter juristischen Gesichtspunkten diskutieren) sehr rege genutzt.

Im Rahmen der Langzeitarchivierung erhalten alle Artikel des Verfassungsblogs einen DOI (Digital Objekt Identifier) und werden beim rechtswissenschaftlichen Fachrepositorium <intR>²Dok archiviert. Damit wird sichergestellt, dass auf die Artikel des Blogs auch in Zukunft zugegriffen werden kann.

Seit März 2020 gibt es den Podcast „Corona Constitutional“, der sich mit Themen des Verfassungsrechts und der Verfassungspolitik befasst, die im Zuge der COVID-19-Pandemie in Deutschland diskutiert werden. Die einzelnen Episoden sind im Interviewformat gestaltet und sowohl unter https://verfassungsblog.de/pod/ als auch bei bekannten Streaminganbietern, wie zum Beispiel Spotify abrufbar. Geplant ist auch ein weiterer Podcast, der Verfassungspod (Podcast – Verfassungsblog), welcher sich mit verfassungsrechtlichen Themen beschäftigen wird.

Völkerrechtsblog

Das Völkerrechtsblog ist ein wissenschaftlicher Blog mit Double-Blind-Peer-Review zu allen Fragen des Völkerrechts und des Völkerrechtsdenkens, gegründet 2014, welcher derzeit im Rahmen eines Forschungsprojekts vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht und von der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird.

Das Völkerrechtsblog beinhaltet neben den eigentlichen Beiträgen noch die Rubriken Symposium, Medien und Service. Der Bereich Symposien enthält eine Sammlung verschiedener Artikel, die eine umfassendere Frage diskutieren. Diese werden in der Regel im Voraus mit einem Aufruf zur Einreichung von Beiträgen angekündigt. Der Bereich Medien enthält unter anderem den Völkerrechtspodcast und im Bereich Service findet man Informationen zu bevorstehenden Veranstaltungen, aktuellen Stellenangeboten und Publikationsaufrufen.

Auch hier erhalten alle Artikel ein DOI und werden bei <intR>²Dok  archiviert.

Podcasts

Neben den bereits erwähnten Podcasts des Verfassungsblogs und des Völkerrechtsblogs gibt es mittlerweile einige Podcasts mit juristischem Bezug wie zum Beispiel

und frei online verfügbare Lehrveranstaltungen oder spezielle Podcasts zur Examensvorbereitung. Eine gute Übersicht findet sich beispielsweise unter https://www.defactojura.de/jura-podcasts.

 Monographien und Zeitschriften

Traditionell wird in den Rechtswissenschaften in Deutschland bisher in Monographien und Zeitschriften publiziert.

Monographien und Lehrbücher

Während Publikationen zunehmend auch digital erscheinen, werden Open-Access-Publikationsmöglichkeiten zwar von den meisten juristischen Verlagen unter Beibehaltung der für Printpublikationen üblichen Qualitätssicherung angeboten, jedoch wird diese Möglichkeit bisher nur spärlich genutzt. Die meisten für juristische Publikationen relevanten Verlage bieten zumindest ein Hybrid-Modell an. Beim sogenannten „hybriden Publizieren“ erscheint parallel zur digitalen unter einer Open-Access-Lizenz veröffentlichten Ausgabe des Werks auch eine Printausgabe, die im Buchhandel vertrieben wird.

Dagegen erscheint beim e-only Modell der Titel ausschließlich als digitale Version unter einer Open-Access-Lizenz der Wahl der Autoren. Bei der Open-Access-Publikation berechnen Verlage Publikationskosten, die je nach gewähltem Modell unterschiedlich hoch ausfallen können. Die Finanzierung kann jedoch durch Publikationsfonds der Universitäten, Forschungseinrichtungen oder Forschungsförderorganisationen übernommen werden. Die Verlage informieren zum Teil schon auf ihrer Homepage über diese Fördermöglichkeiten.

Die Open-Access-Monographien werden im Directory of Open Access Books verzeichnet.

Eine Open-Access-Veröffentlichung ist unter anderem bei folgenden Verlagen möglich:

Der Beck-Verlag als größter juristischer Verlag Deutschlands bietet bisher jedoch keine Open-Access-Publikationsmöglichkeit an.

Open-Access-Lehrbücher sind im englischsprachigen Raum schon weiter verbreitet als in Deutschland, siehe zum Bbeispiel Law Textbooks – Open Textbook Library (umn.edu).

In Deutschland sind 2020 erstmals Lehrbücher Open Access erschienen:

Open-Access-Lehrbücher bringen zwar nach der Publikation keine Einnahmen für die Publizierenden mehr (dies kann je nach Titel und konkreten Vertragsbedingungen mit dem Verlag und über die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) einiges sein), dafür stehen sie aber den Studierenden kostenfrei und ortsunabhängig zur Verfügung.

Zeitschriften

Wissenschaftliche Beiträge, Urteilsanmerkungen und Beiträge für die Praxis wurden in der Vergangenheit in der Regel in Zeitschriften publiziert. Bisher bieten wenige Verlage Wissenschaftlern die Option an, Artikel in rechtswissenschaftlichen Zeitschriften Open Access zu publizieren. Dennoch gibt es bereits einige Open-Access-Zeitschriften in den Rechtswissenschaften, die von Institutionen aus allen Teilen der Welt herausgegeben werden. Fachliche Schwerpunkte sind neben dem  internationalen und rechtsvergleichenden Recht, Rechtsgebiete mit interdisziplinärem und von Natur aus grenzüberschreitendem Charakter wie Kriminologie, Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie, Geschlechterforschung und Recht und Automation.

Eine Finanzierung der Open-Access-Publikation kann hier, genauso wie bei den E-Books, ebenfalls mittels Publikationsfonds der Universitäten, Forschungseinrichtungen oder Forschungsförderorganisationen möglich sein.

Eine internationale Übersicht über Open-Access-Zeitschriften hat sich mit der Datenbank des Directory of Open Access Journals etabliert. Wenn Zeitschriften bestimmte Qualitätsmerkmale erfüllen, erhalten sie das DOAJ-Seal. Diese Qualitätsmerkmale sind:

  • Gesicherte digitale Langzeitarchivierung
  • persistente Identifier für die Artikel
  • Publikation mit Open-Access-Lizenzen von Creative Commons, die die weltweite freie Verfügbarkeit und freie Zitierbarkeit gewährleisten
  • Urheberrechte müssen bei den Autoren verbleiben

Eine Übersicht über alle im DOAJ dort gelisteten Zeitschriften findet sich hier.

Besonders relevante in Deutschland erscheinende Zeitschriften sind zum Beispiel:

Darüber hinaus gibt es frei verfügbare juristische Online-Zeitschriften, die aber nicht die Anforderungen des DOAJ erfüllen. Sie haben überwiegend auch Qualitätssicherungsverfahren, die eine nach wissenschaftlichen Kriterien evaluierte Publikation sicherstellen.

Hierzu gehören:

Hier eine gute Übersicht über juristische Zeitschriften, die nicht alle im DOAJ enthalten sind.

Das Projekt open-access.net bietet allgemeine Informationen zu Open-Access-Zeitschriften für Rechtswissenschaften.

Neben einer Erstveröffentlichung in einer Open-Access-Zeitschrift können Autoren ihre bereits veröffentlichten Artikel durch Nutzung des Zweitveröffentlichungrechts (§ 38 Ab. 4 UrhG) nachträglich Open Access in rechtswissenschaftlichen Repositorien wie zum Beispiel <intR>²Dok veröffentlichen.

Zu Open-Access-Publikationsmöglichkeiten beraten alle Institutionen. Diese Aufgabe kann in den Institutionen unterschiedlichen Bereichen zugewiesen sein. Üblicherweise finden Sie dies unter den Stichworten Open-Access-Beauftragte, Publikationsdienste oder elektronisches Publizieren.

In der LMU berät Sie das Referat für elektronisches Publizieren der UB.

In der TIB berät Sie der Bereich Publikationsdienste.

... ist Fachreferentin für Rechtswissenschaften, stellvertretende Justiziarin und Datenschutzbeauftragte der TIB