Woran erkenne ich eine wissenschaftliche Konferenz?

Aktuell wird in den (sozialen) Medien über eine Konferenz berichtet, auf der über pathologische Befunde zu Impfnebenwirkungen berichtet werde. Für Laien ist nun schwer einzuschätzen, um was für eine Art von Veranstaltung es sich hier handelt. Im Projekt ConfIDent beschäftigen wir uns genau mit diesem Thema: An welchen Kriterien erkenne ich eine legitime wissenschaftliche Konferenz?

Wir erarbeiten im Rahmen des Projekts einen umfangreichen Kriterienkatalog, der für eine schnelle Begutachtung zu umfangreich wäre. Angesichts der akuten gesellschaftlichen Relevanz unseres Themas möchten wir jedoch eine kurze und nicht erschöpfende Übersicht wesentlicher Merkmale geben, anhand derer legitime wissenschaftliche Konferenzen in der Regel erkannt werden können.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass in vielen Fällen eine Konferenz auf ihre Legitimität hin zu bewerten für den Laien schwierig ist. Es gibt jedoch einige Fragen, die dabei unterstützen können, eine Bewertung vorzunehmen.

Welches Format hat die Veranstaltung?

Wissenschaftliche Konferenzen bieten üblicherweise die Möglichkeit zum Austausch. Es wird dort wissenschaftliche Arbeit in jedem Stadium des Forschungsprozesses präsentiert: von den Vorannahmen wissenschaftlicher Studien (Hypothesen) bis zu finalen und bereits publizierten Ergebnissen. Entscheidend ist jedoch, dass die Arbeit kritisch mit den anwesenden Vertreter:innen des Faches diskutiert wird. Hier liegt der Kern von Konferenzen als Zusammenkunft von Fachexpert:innen (Peers) in einem Forum, das den Austausch über die wissenschaftliche Arbeit ermöglicht. Dient das Format der Veranstaltung allein dazu, einseitig Ergebnisse zu präsentieren ohne die Möglichkeit dieser fachlichen Auseinandersetzung zuzulassen, ist eine kritische Betrachtung geboten.

Findet eine Begutachtung der Beiträge statt?

Eng verknüpft mit der Frage nach dem Format der Veranstaltung ist die Frage, inwieweit die Beiträge, die auf der wissenschaftlichen Konferenz getätigt werden, von Forschenden aus dem gleichen Fachbereich begutachtet werden. Solche Bewertungen (Peer Review) können entweder vor der Konferenz stattfinden oder auf der Konferenz selbst in Form von Diskussionen. Es sollte erkennbar sein, ob es einen sog. Peer-Review-Prozess gibt, d.h.: Sind die Beiträge vorab von einer Kommission von fachlich qualifizierten Gutachter:innen bewertet worden? Werden Beiträge im Nachgang der Konferenz publiziert und falls ja, findet hier eine weitere Überprüfung der Beiträge durch Gutachter:innen statt? Ist die Darstellung dieses Prozesses erkennbar auf der Website zu finden? Die Kritik der Peers ist fester Bestandteil des wissenschaftlichen Prozesses, um die Qualität von Forschung zu sichern.

Welche Informationen sind auf der Website zur Konferenz zu finden?

Wissenschaftliche Konferenzen haben in der Regel eigene Webseiten, auf denen mehr als nur eine Aufnahme eines Vortrags zu sehen ist. Dort befinden sich im Regelfall viele organisatorische Informationen, wie z. B. Informationen darüber wann und wo sie stattfindet, welche Themen behandelt werden sollen, etc.

Ganz essentiell ist auch der Aufruf an Wissenschaftler:innen eigene Beiträge einzureichen (Call for Papers), denn normalerweise wird eine Konferenz mehrere Monate vor dem eigentlichen Stattfinden angekündigt, sodass die Veranstalter:innen Zeit haben, Beiträge zu sammeln und (häufig mit Hilfe weiterer Peers) auszuwählen. So entsteht ein Konferenzprogramm, das sich Teilnehmende in der Regel vorab anschauen können.

Ein weiteres Merkmal auch von kleineren Konferenzen ist, dass sie über einen längeren Zeitraum von normalerweise mindestens einem Tag bis über mehrere Tage andauern. Je mehr Zeit Forschenden für den inhaltlichen Austausch haben, desto intensiver kann ein wissenschaftliche Diskus geführt werden.

Häufig gehören legitime Konferenzen zu einer Konferenzreihe. Das heißt, dass die Konferenz in regelmäßigen Abständen (jährlich oder zweijährlich) unter dem gleichen Namen stattfindet. Es ändert sich im Normalfall nur die Nummerierung oder die Jahreszahl. Besteht die Reihe schon lange, kann das ein Zeichen für den Mehrwert sein, den sie der entsprechenden wissenschaftlichen Community beschert – und damit ein Indikator für die dort praktizierte “gute Wissenschaft”. Umgekehrt gilt natürlich nicht notwendigerweise, dass erstmals stattfindende Konferenzen außerhalb einer Konferenzreihe grundsätzlich dubios sind.

Wer richtet die Konferenz aus?

Oft sind Konferenzen von wissenschaftlichen Institutionen oder Fachverbänden organisiert. Eine Konferenz ganz ohne Zuordnung zu einer solchen Organisation ist zwar möglich, aber eher die Ausnahme. So wurden die Open-Access-Tage 2019 zum Beispiel von der Leibniz Universität Hannover (LUH), der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek (GWLB) und der TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften ausgerichtet. Für manche mit Sicherheit unbefriedigend, aber eine gute Möglichkeit die Vertrauenswürdigkeit einer Konferenz einzuschätzen, bietet der Blick auf solche Organisationen und ihre Bekanntheit bzw. Reputation im Wissenschaftssystem.

Wissenschaftliche Organisationen müssen nicht immer Veranstalter einer Konferenz sein. Sie können in unterschiedlicher Form in Verbindung mit einer Konferenz stehen. Andere Beispiele sind das Auftreten als Sponsor oder insbesondere im Falle von Fachgesellschaften wie z. B. die Gesellschaft Deutscher Chemiker oder die Deutsche Gesellschaft für Pathologie das Bewerben einer Konferenz auf der eigenen Webseite. All dies sind Zeichen für die Vertrauenswürdigkeit einer Konferenz.

Wie können die Expert:innen bewertet werden?

Wie schon beschrieben lebt eine Konferenz vom Austausch der Fachvertreter:innen. Um den wissenschaftlichen Wert einer Konferenz besser einschätzen zu können, kann es hilfreich sein, sich die Vortragenden etwas genauer anzuschauen. Gibt es Informationen dazu, ob die Person zu einer wissenschaftlichen Einrichtung gehört und welche Position sie dort hat? Sind diese Informationen aktuell oder beziehen sie sich ausschließlich auf (lange) vergangene Tätigkeiten? Gibt es Informationen zu aktuellen Forschungsthemen und -erfahrungen? Hat die Person einen Forschungsschwerpunkt und hat sie in diesem Zusammenhang schon Vorträge gehalten oder publiziert? Ist sie in Fachgremien vertreten? Die Recherche nach fachlichen Vorarbeiten wie Publikationen ist etwas aufwändiger, kann aber helfen, Zweifel auszuräumen oder zu bestätigen.

Auf den akademischen Titel einer Person allein sollte sich für die Bewertung der Expertise einer Person nicht verlassen werden. Der Professor:innentitel darf in vielen Bundesländern auch noch im Ruhestand weitergeführt werden, obwohl die Person vielleicht schon seit Jahren nicht mehr in der Forschung aktiv ist und einen unter Umständen veralteten Wissensstand hat. Wenn es sich nicht gerade um Nachwuchswissenschaftler:innen am Beginn ihrer Forschung handelt, sollten die Vortragenden in der Regel schon etwas zum Thema ihres Vortrags publiziert haben. Wenn es Publikationen gibt, sollte geschaut werden, wo die Beiträge publiziert wurden (z.B. in Fachzeitschriften, die ein Peer Review durchführen)? Schließlich kann es auch hilfreich sein, zu schauen, welche Informationen öffentlich im Netz über die Expert:innen zu finden sind? Gibt es kontroverse Debatten um sie? Haben Sie ein auffindbares Profil?

Fazit

Personen oder Gruppen, die eigentlich wissenschaftsablehnend agieren, versuchen dennoch oftmals, durch die Vorspiegelung einer akademischen Fassade den Anschein von Seriösität und Glaubwürdigkeit zu generieren. Dazu gehört auch die Verwendung des Begriffes der Konferenz. Ob solch eine Konferenz einen wissenschaftlichen Wert hat oder ob es sich um eine Instrument der Öffentlichkeitsarbeit handelt, ist nicht leicht erkennbar. Die hier aufgeführten Kriterien helfen hoffentlich dabei, die Spreu vom Weizen zu trennen.


Beitragsbild von GK von Skoddeheimen auf Pixabay 

Research Assistant in the Lab Non-Textual Materials at TIB

... works at TIB PID Competence Center.

... arbeitet im Open Science Lab der TIB und beschäftigt sich dort (überwiegend) mit offenen Forschungsinformationen und Open Science. Weitere Informationen: https://tib.eu/christianhauschke