Eine kleine Geschichte des Taschenbuches

Vor einigen Wochen habe ich vom Welttag der essbaren Bücher berichtet. Heute ist wieder ein besonderer Buchtag – der Tag des Taschenbuches.

Am 30. Juli 1935 soll das erste moderne Taschenbuch durch den Londoner Verleger Sir Allen Lane veröffentlicht worden sein – Ariel, a Life of Shelley von Andre Marouis. Die Idee zu diesem Vorhaben soll Lane nach einem Besuch bei seiner Freundin Agatha Christie gehabt haben: Auf dem Rückweg nach London besuchte er die Bahnhofsbuchhandlung in Exeter und stellte dabei fest, dass viele Bücher von geringer Papierqualität und überteuert waren. Lane nahm sich vor dies zu ändern – die Idee zum sixpenny paperback war geboren. Der Preis entsprach damals dem einer Schachtel Zigaretten. Weitere Autoren der ersten Penguin Books waren Compton Mackenzie, Dorothy L. Sayers, Ernest Hemingway und natürlich Agatha Christie. Maßgeblich für die Entwicklung von Penguin Books nach dem Zweiten Weltkrieg war die Einführung von Penguin Classics, einer Reihe mit Werken des Kanons der Literatur. Der erste Band dieser Reihe war die Übersetzung der Odyssee des griechischen Dichters Homer.

Christian Bernhard Tauchnitz

Allerdings war Sir Allen Lane nicht der erste Verleger, der sich um erschwinglichere Bücher bemühte. Bereits seit 1841 gab der Leipziger Verleger Christian Bernhard Tauchnitz die Reihe Tauchnitz-Edition mit unterschiedlichen Einbänden und Preisklassen heraus. Er gilt daher als der Wegbereiter des modernen Taschenbuches. Diese erste Reihe mit dem Titel Collection of British and American Authors sollte vor allem Reisende, Schüler und Studenten des englischsprachigen Raumes ansprechen. Ab 1868 erschien die ebenfalls englischsprachige Reihe Collection of German Authors und ab 1886 die die Students’ Tauchnitz Editions. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Tauchnitz Exklusivverträge mit seinen über 700 Autoren abschloss und Honorar zahlte.

In England ahmte der neugegründete Routledge-Verlag das Modell des Tauchnitz-Verlags seit 1848 mit seiner Railway Library nach und war damit sehr erfolgreich, wie das Beispiel My Novel zeigt: 1853 erklärte sich Routledge bereit, Edward Bulwer Lytton über einen Zeitraum von zehn Jahren insgesamt 20.000 Pfund für das Recht zu zahlen, billige Ausgaben seiner Werke herauszugeben. Es war eine kluge Investition: 26.000 Exemplare von My Novel wurden innerhalb des ersten Jahres verkauft, mit jährlichen Nachdrucken von 2.000 Exemplaren während der gesamten Laufzeit des Vertrags.

Einer der Erstdrucke der Nr. 1 (Faust I, 1867)

Auch die Reihe Reclams Universal-Bibliothek, die erstmals am 10. November 1867 erschien, stammt aus dieser Frühzeit des modernen Taschenbuchs. Der Anlass zur Gründung der Reihe war ein am 9. November 1867 in Kraft getretenes Gesetz des Norddeutschen Bundes, durch das alle literarischen Werke gemeinfrei wurden, deren Verfasser vor 30 oder mehr Jahren verstorben waren. Daher brauchte weder eine Vergütung für die Autoren gezahlt, noch mussten von einem anderen Verlag Nutzungsrechte gekauft werden. Die ersten beiden Nummern der Reihe erschienen am 10. November 1867: Faust I und Faust II von Goethe. Die für damalige Verlagsverhältnisse sehr große Erstproduktion mit jeweils 5.000 Exemplaren der beiden Faust-Ausgaben war innerhalb von wenigen Wochen so gut wie vergriffen, sodass im Dezember 1867 nochmals 5.000, im Februar 1868 zusätzlich 10.000 Exemplare gedruckt und ausgeliefert wurden. Durch den Wegfall von Autorenvergütungen und der freien Nachnutzung entfiel ein wesentlicher Kostenpunkt bei der Herausgabe der Titel, sodass der Preis von zwei Silbergroschen pro Band 50 Jahre lang gehalten werden konnte.

Rotationsdruck

Viele weitere Verlage haben nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Herausgabe von Taschenbüchern begonnen. Erwähnt sei hier stellvertretend der Rowohlt-Verlag, der für die Herstellung seiner Taschenbücher ab 1946 den Rotationsdruck nutzte. Der Verlag hatte nach Kriegsende eine Lizenz zum Drucken von Büchern erhalten, gutes Papier war jedoch knapp. Die ersten 25 Titel mit der Bezeichnung Rowohlt-Rotations-Romane (RO-RO-RO) erschienen daher auf billigem Zeitungspapier und im Zeitungsformat, ab 1950 dann unter der Bezeichnung rororo im Oktavformat. Außerdem wurde die Produktion durch das Lumbecken, einem nach Emil Lumbeck benannten Klebebindeverfahren, weiter verbilligt.

Bis ins zweite Drittel des 20. Jahrhunderts wurden Taschenbuchausgaben hauptsächlich als Zweitveröffentlichung von bereits zuvor anderweitig erschienenen Buchtiteln herausgebracht. Mittlerweile hat die Zahl von Erstveröffentlichungen im Taschenbuchbereich jedoch stark zugenommen und viele Werke erscheinen sogar ausschließlich in Taschenbuchform.

Wer nun wirklich den heutigen Tag des Taschenbuches ins Leben gerufen hat, konnte ich bei der Recherche zu diesem Beitrag leider nicht herausfinden, aber abschließend füge ich hier gerne exemplarisch ein paar Links zu den für den heutigen Tag passenden Beständen der TIB ein:

Reclams Universal-Bibliothek (> 500)

Penguin classics oder Penguin books“ (je ca. 160)

Tauchnitz-Edition (ca. 40)

rororo (> 3200)

Die Zahl in der Klammer enthält die Anzahl der Treffer, Stand 30.7.2021.

Stöbern Sie also gerne mal auf der Suche nach Taschenbüchern durch unseren Bestand – bestimmt ist der eine oder andere interessante Titel für Sie dabei. Und wenn Sie mehr über die Technik des Druckens erfahren möchten, folgen Sie einfach diesem Link: Drucktechnik

ist Fachreferentin für Biologie, Gartenbau, Umwelttechnologien und Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Informationsbibliothek (TIB) und zuständig für die Ausbildungskoordinierung (höherer Dienst).