Eine Frage des Respekts

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Verlage müssen die Rechte von Forschenden bei Open-Access-Veröffentlichungen respektieren – dies fordern CESAER, European University Association (EUA) und Science Europe in einer gemeinsamen Stellungnahme vom 25. Mai 2021. Die Organisationen repräsentieren über 880 Universitäten, Forschungseinrichtungen und -förderer in Europa. Sie setzen mit diesem Aufruf ein starkes Zeichen für die Unterstützung von Open Access und gegen die Widerstandsbemühungen von Verlagen, welche unbeirrt an alten Publikationsmodellen festhalten.

Die Stellungnahme ist eine Reaktion auf einen im April 2021 von cOAlition S veröffentlichten offenen Brief, der sich an Forschende richtet. Dieser beschreibt verbreitete Verlagspraktiken, die der bewussten Verwirrung der Autor:innen dienen, intransparent sind und das Recht von Autor:innen untergraben, ihr akzeptiertes Autorenmanuskript (AAM) gemäß der Rights Retention Strategy (RRS) ohne zeitlichen Verzug unter einer CC BY-Lizenz zu veröffentlichen.

So werden beispielsweise Prozesse beschrieben, in denen bei einer subskriptionsbasierten Zeitschrift eingereichte Beiträge abgelehnt und an ein Open Access Journal umgeleitet werden, um die Veröffentlichung eines AAM ohne Embargo zu verhindern. Manche Verlage geben an, dass sie die RRS nicht unterstützen und verlagsbestimmte Embargofristen gelten. Allerdings benötigen Autor:innen für eine Veröffentlichung ihres AAM unter einer CC BY-Lizenz nicht die Erlaubnis des Verlages, solange der Verlag von dieser Vorlizenzierung in Kenntnis gesetzt wurde. In anderen Fällen werden Autor:innen aktiv dazu angehalten, gegen die Bedingungen ihres Förderers zu verstoßen, indem sie Vertragsklauseln unterzeichnen müssen, die ihnen die sofortige Publikation ihres AAMs untersagt. Im Falle einer Unterzeichnung droht ihnen einerseits also der Wegfall künftiger Förderungen, andererseits eine Klage durch den Verlag, wenn Autor:innen sich dennoch entscheiden, ohne Embargo zu publizieren.

Das bewusste Verschleiern von Informationen entmündigt die Autor:innen und erlaubt ihnen keine Begegnung auf Augenhöhe mit dem Verlag, sondern reduziert ihre Rolle auf die eines bloßen Content-Generators zum Profitgewinn. Es offenbart außerdem die Machtposition, in der sich einige Verlage sehen und leider immer noch tatsächlich oft befinden.

Transparenz und Vertrauenswürdigkeit von Verlagen sind ein wichtiges Thema auch im Kontext des Predatory Publishings. Nicht umsonst haben sich Organisationen wie COPE und OASPA überhaupt herausgebildet, um entsprechende Richtlinien hinsichtlich der Publikationsethik zu formulieren. Die von der cOAlition S beschriebenen Vorfälle bestärken sicherlich nicht das Vertrauen in die Verlagswelt. Wo verläuft die Grenze zwischen unethischem und betrügerischem Verhalten?

Und was bedeutet das für Autor:innen, die an Bedingungen von Forschungsförderern gebunden sind? Nun, das bedeutet bestenfalls einen durch Intransparenz zusätzlichen Informationsaufwand zu betreiben und schlimmstenfalls anfallende Publikationskosten selbst zu tragen. Unabhängig davon, ob Autor:innen diese Kosten persönlich finanzieren müssen oder nicht, könnten solche Erfahrungen Wissenschaftler:innen negativ beeinflussen. Und das wiederum bedeutet, dass Einrichtungen ihre Wissenschaftler:innen über derartige Praktiken informieren und gleichzeitig daraus erwachsene Unsicherheiten mildern müssen.

In ihrer Stellungnahme betonen CESAER, EUA und Science Europe, dass ein solches Vorgehen von Verlagen den Fortschritt in Richtung einer offenen Wissenschaftskommunikation behindere, Forschungsergebnisse müssen frei und ohne Embargofristen verfügbar gemacht werden. Die entsprechenden Verlage werden daher eindringlich aufgefordert, auf Barrieren und Beschränkungen basierende und damit veraltete Geschäftsmodelle umzustellen oder Prozesse und Gebühren transparent und eindeutig zu kommunizieren. Wenn ein Verlag verlangt, dass Autor:innen ihre Rechte aufgeben, sollten sie dies klar und öffentlich dokumentieren, damit Autor:innen informierte Entscheidungen treffen können.

Letztendlich geht es genau darum: Die Rechte der Autor:innen sollen respektiert werden, inklusive des Rechts, ihre Veröffentlichungen frei und ohne Embargofristen online zu stellen. Michael Murphy, Präsident der EUA, nennt dies „eine einfache Frage von Grundwerten und Respekt“.

... arbeitet im Bereich Publikationsdienste der TIB im Projekt open-access.network