Auf der Suche nach einer verbindlichen Ordnung

Ein Beitrag von Monika Stumpf

Gemeinsam mit über 400 weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern war ich der Einladung der Leibniz Universität Hannover (LUH) in Kooperation mit der TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek (GWLB) zu den Open-Access-Tagen 2019 nach Hannover gefolgt. Expertinnen und Experten, Mitglieder der Community, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Bibliotheken, Forschungseinrichtungen und Fachverlagen, aber auch Neulinge im digitalen Zeitalter wissenschaftlichen und frei zugänglichen Publizierens trafen sich hier zum größten Netzwerktreffen der Open-Access-Akteure im deutschsprachigen Raum.

Zentraler Veranstaltungsrsaum: Der Lichthof des Welfenschlosses. Foto: TIB

Nachhaltigkeit stand als Thema im Zentrum der diesjährigen Fachtagung. Die Suche nach und das Ringen um verbindliche Strukturen und eine Verstetigung, die sich über geförderte Einzelprojekte – initiiert etwa von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) oder dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) – hinaus etablieren, war für mich augenfällig. Themenvorträge und Workshops boten Anhaltspunkte, machten gleichzeitig aber auch die Komplexität, hervorgerufen durch unterschiedliche Bedarfe der einzelnen Forschungseinrichtungen, Fakultäten, Wissenschaftsdisziplinen und Länder, deutlich:

Wie sich etwa die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen durch den im Januar 2019 erzielten DEAL-Abschluss mit Wiley bisher verändert hat, versuchte Wiley-Mitarbeiterin Lorna Stimson – als Mitarbeiterin einer der großen global agierenden Fachverlage stand sie auch für die Marktmacht ausschließlich kommerziell orientierter Beteiligter am Open-Access-Prozess – darzulegen. Eindrucksvoll skizzierte Göran Hamrin von der KTH Stockholm die Folgen nach der Kündigung der Elsevier-Verträge an seiner Hochschule. Im Schwedischen existierten sehr viele Begrifflichkeiten für „groß“, so seine Erkenntnis aus der ersten Phase der Umstellung und dem in dieser Zeit deutlich geäußerten Unmut seitens der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Umverteilungsprozesse in der Folge jedoch hätten zu deutlichen Kostensenkungen und aufgrund freigesetzter Mittel zu technischen Entwicklungen und besseren Serviceleistungen geführt.

Wie viel Kreativität und Spielfreude durch die Transformationsprozesse entstehen, zeigte sich an unterschiedlichen Standorten rund um den Lichthof der Leibniz Universität: Die wissenschaftlichen Poster dokumentierten unter anderem auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekte. Diese wurden später auf dem Podium gesondert vorgestellt, wie etwa die Open Library of Humanities (OLH), ein Finanzierungskonzept für Monografien in den Geisteswissenschaften, oder OpenD.org, eine Internetplattform, die beim Verfassen von Dissertationen und dem Publizieren auf Open Access unterstützt.

Auf der Galerie zeigten Projektverantwortliche ihre IT-Entwicklungen zum Beispiel als Lösung zur Auswertung bibliometrischer Daten (ROSI – Referenzimplementierung für offene szientometrische Indikatoren) oder erste Informationen zur Ploc-App, die die Arbeit mit Journals gewinnbringend flankieren will.

Den Rahmen der Veranstaltung aber bildeten die Keynote-Speaker: John Willinsky, Gründer des Public Knowledge Projektes, ließ in seinem Vortrag „Daring to Dream of Universal Open Access“ an seiner über 20 Jahre andauernde Begeisterung für die Chancen rund um Open Access teilhaben. Er skizzierte etwa die technischen Fortschritte der vergangenen zwei Dekaden und gab einen Ausblick auf zukünftige Herausforderungen. Elena Šimukovič von der Universität Wien mahnte in ihrer Keynote, die Teilhabe aller beim Zugang zu Wissen nicht aus den Augen zu verlieren. Mit Verweis auf die Budapester Open Access Initiative und deren Anliegen, eine breite und frei zugängliche Bildung für arm wie reich weltweit möglich zu machen, sehe sie durch aktuelle Transformationsprozesse eher eine Manifestation bestehender Ungleichheitsverhältnisse. Mikael Laakso von der Hanken Universität Helsinki machte den rasanten Anstieg von OA-Journals und deren Auswertungsproblematik insbesondere über einen längeren Zeitraum hinweg zum Mittelpunkt seiner Betrachtung: Unterschiedliche Metadatenstandards machten die Erhebung von zeitlichen Längsschnittdaten nur in geringem Maße möglich. Automatisierte Längsschnittdaten seien allerdings wesentlich für den Aufbau „guter“ Daten, genauso wie für Werkzeuge, die mit den sich schnell verändernden Datenmengen Schritt halten könnten – ein Ausblick auf eine sich immer schneller weiterbewegende Welt der Wissens- und Informationsgesellschaft.

Mit einem Haufen Eindrücke, sehr guten Gesprächen, Ideen für die Weiterentwicklung meines eigenen Arbeitsumfeldes, Tipps von Fachfrauen und -männern und einem Rundumblick in eine mir bis dahin in weiten Teilen unbekannte Welt habe ich Hannover verlassen.

„Viel Input und viele neu aufgeworfene Fragen“, zieht eine Bibliothekarin der Universität Freiburg Bilanz. Im nächsten Jahr wolle sie auf jeden Fall wieder dabeisein – wie viele, die zum ersten Mal hierhergekommen sind, und genauso viele, die bereits die allerersten Open-Access-Tage mitgestaltet haben.