The sky is the limit? Botschaften aus dem All und aus dem Eis

Am Ende geht es bei den diesjährigen Nobelpreisen für Physik und Chemie, die in dieser Woche in Stockholm den Preisträgern überreicht werden, um die Entschlüsselung schwer zugänglicher Botschaften an der Grenze des Messbaren.

Erst hundert Jahre nachdem Albert Einstein die Existenz von Gravitationswellen theoretisch abgeleitet hat, waren die Messinstrumente ausgereift genug, um sie auch experimentell nachzuweisen. Mit GW150914 ist dem LIGO-Detektor die erste Gravitationswelle ins Interferometer-Netz gegangen, GW151226, GW170104 und GW170817 folgten als weitere Ereignisse.

„Für entscheidende Beiträge zum LIGO-Detektor und die Beobachtung von Gravitationswellen“ erhalten Rainer Weiss, Barry C. Barish und Kip S. Thorne den Nobelpreis für Physik 2017. Wie die Preisträger in ihrer Bescheidenheit immer wieder betonen, sehen sie sich als Repräsentanten der gesamten LIGO/VIRGO Kollaborationen mit mehr als 1000 Mitwirkenden (vgl. die Autorenliste des PRL-Papers zu GW150914) . Oder wie es der Hannoversche Gravitationswellenforscher Karsten Danzmann formuliert haben soll: „Wir sind alle Barry“. (Wenn auch nicht den Nobelpreis, so hat es für Karsten Danzmann und seine Forschung bereits einige renommierte Preise gegeben, zuletzt den Otto-Hahn-Preis der Stadt Frankfurt, der GDCh und der DPG.)  Zur Erinnerung: Nachdem am LHC die Existenz des Higgs-Teilchens experimentell belegt worden war, ging der Nobelpreis 2013 nicht an die Großkollaborationen, sondern an François Englert und Peter W. Higgs für seine theoretische Vorhersage.

Selbstverständlich sind die Artikel der LIGO/VIRGO-Kollaborationen auf arXiv abgelegt worden, auch die frischgekürten Preisträger sind fleißige arXiv-Autoren. (Da stelle noch jemand die Qualität der arXiv-Inhalte infrage!)

arXiv Beiträge von:

Kip S. Thorne hat übrigens den Film Interstellar als Executive Producer wissenschaftlich begleitet und auch ein Buch über die wissenschaftlichen Hintergründe geschrieben.  Wen wundert es, dass einer der Roboter im Film KIPP heißt. Das nenne ich Humor, zumal der Roboter KIPP  zuerst als Notenergiequelle ausgeschlachtet wird und dann als Sprengfalle explodiert. „Please don’t make …“ Ein Lehrbuch von Kip Thorne ist gerade erschienen:  Modern classical physics : optics, fluids, plasmas, elasticity, relativity, and statistical physics / Kip S. Thorne and Roger D. Blandford.

Weitere Literatur von und über die Nobelpreisträger findet sich im TIB-Portal:

Zur ersten Orientierung auf dem Gebiet der Gravitationswellen bieten sich auch die Informationen des Schwedischen Akademie zum Nobelpreis an. Neben der Verkündung der Preisträger auch die wissenschaftlichen bzw. die allgemeinverständlichen Hintergrundinformationen. Auch Bücher zu Gravitationswellen und Gravitationswellendetektoren helfen hier sicherlich weiter.

Sucht man in den gesamten Inhalten des TIB-Portals nach Gravitationswellen, so ist die zeitliche Entwicklung der Trefferanzahl äußerst spannend.  Ab den 1950er Jahren scheinen die Gravitationswellen als interessantes Forschungsgebiet wahrgenommen zu werden, wenn auch in einem Nature-Artikel von 1970 zu lesen ist: „No Support für Gravitational Waves“ (So, so). Die jährlichen Publikationszahlen nehmen daher bis Ende der 1980er Jahre nur zögerlich zu, bis dann in den 1990er Jahren offenbar die Relevanz des Themas nicht mehr nur von den Forschenden, sondern auch von den Förderern anerkannt wird und die Zahl der Publikationen stark ansteigt.

Eine Überraschung war der Preis für die Welt der Gravitationswellenforschung damit nicht, Freude hat er dennoch bereitet, war er doch eine Bestätigung nach vielen Jahrzehnten mühevollen Einwerbens von Fördergeldern.

Auch beim Nobelpreis für Chemie ging es in diesem Jahr wie bei den Gravitationswellendetektoren darum, durch ausgereifte Techniken das Rauschen zu minimieren um das eigentliche Signal messen zu können: Jacques Dubochet, Joachim Frank und Richard Henderson werden ausgezeichnet „für die Entwicklung der Kryoelektronenmikroskopie für die hochauflösende Strukturbestimmung von Biomolekülen in Lösungen.“

Durch eine preiswürdige Kombination von Messungen mit großen Molekülanzahlen, ausgereiften  Algorithmen zur Bildanalyse für 3D-Strukturen und  die Probenpräparation in glasigem Wasser konnte die sonst für Bioorganismen so zerstörerische Technik der Elektronenmikroskopie soweit entschärft werden, dass hochauflösende Messungen an komplexen Molekülstrukturen möglich werden, vgl. auch das Video der Verkündung des Preises, und die wissenschaftlichen bzw. allgemeinverständlichen Hintergrundinformationen der Schwedischen Akademie der Wissenschaften.

Sehr anschaulich ist auch die Vorstellung des Preises auf Pro-Physik: Chemie-Nobelpreis: Gefrorene Biomoleküle hochaufgelöst abbilden.

Die Arbeiten von und über Jacques Dubochet lassen sich gut im TIB-Portal finden, der Name ist eben spezifisch genug. Bei Joachim Frank und Richard Henderson ist es schon etwas schwieriger, handelt es sich doch um verbreitetere Namen … Hier müssen wir tiefer in die Trickkiste des TIB-Portals greifen, indem wir z.B. Joachim Frank als Autoren suchen die Treffer auf Chemie und Physik beschränken und uns dann auf das Ranking verlassen (natürlich gibt es den ein oder anderen Irrläufer). Bei Richard Henderson zeigt sich ebenfalls, wie nützlich ein eindeutiger Identifier (wie z.B. eine ORCiD) statt eines „mehrdeutigen“ Namens wäre: scheinbar sind die Richard Hendersons dieser Welt fleißige Wissenschaftler, die Einschränkung der Suche auf Autorennamen hilft zunächst nicht weiter. Auch hier müssen wir auf Physik und Chemie einschränken, bevor wir „unseren Henderson“ haben.

Zu den Stichworten (?ryoele?tron*) OR (?ryo ele?tron*) gibt es mehr als 8000 Treffer. Spannend: Joachim Frank und Jacques Dubochet tauchen dann auch unter Treffer verfeinern bei den Autoren auf, bei Henderson muss man schon etwas tricksen und z.B. zusätzlich gezielt nach den Autoren Henderson, Frank und Dubochet suchen, dann ist auch er aufgeführt.

Wie bei den Gravitationswellen lässt sich die Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie schön an der Zahl der im TIB-Portal nachgewiesenen Inhalte zum Thema sehen. Von 1960 bis 1980 gab es erste Ansätze, die in den 1980er Jahren intensiver verfolgt wurden, bis es dann in den 1990er Jahren, aber auch in den 2000er Jahren zu einer rasanten Entwicklung der Publikationszahlen kam. Allerdings konnte die optimale atomare Auflösung der Mikroskopie-Bilder erst im Jahr 2013 erreicht werden. Seitdem aber wird sie vielfältig in den Bereichen der biochemischen und medizinischen Forschung eingesetzt. Ein prominentes Beispiel ist die dreidimensionale Darstellung des Zika-Virus im Jahr 2015, die weitere Forschung für Medikamente ermöglichte.

Bevor die Preisträger am 10. Dezember (Nobels Todestag) ihre Preise entgegennehmen dürfen, müssen sie am heutigen 8. Dezember noch den Preisträgervortrag halten. Diese Nobel Lectures sind empfehlenswert, machen sie doch die Preisträger mit ihrer Begeisterung für die Forschung erlebbar. Freuen wir uns mit den Preisträgern auf diesen Tag!

... ist Fachreferentin für Physik und zuständig für die Nationale Kontaktstelle im Netzwerk arXiv-DH