Wissenschaftsorganisationen rufen zur Open-Access-Transformation auf

Internationale Wissenschaftsorganisationen haben zu einer weitgehenden Umstellung wissenschaftlicher Fachzeitschriften auf Open Access aufgerufen und dabei insbesondere die wissenschaftlichen Bibliotheken in die Pflicht genommen. Ziel ist es, eine Mehrheit der existierenden Fachzeitschriften von Subskription auf Open Access umzustellen und dabei eine maximal freie Nutzung der Zeitschrifteninhalte zu gewährleisten. Das Vorhaben nimmt Anleihen bei dem SCOAP³-Vorhaben (zur Umstellung von Zeitschriften der Hochenergiephysik auf Open Access) und bei Analysen der Max Planck Digital Library zum Finanzvolumen des existierenden Subskriptionsmarkts.

Die Initiative zur Open-Access-Transformation ist unter den programmatischen Titel „Open Access 2020“ gestellt. Sie ist im Kontext der Berliner Erklärung („Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities“) verortet und ein Ergebnis der letzten Berlin Conference, nach der die Veröffentlichung eines entsprechenden Papiers bereits angekündigt worden war. Die Konferenz wurde ausgerichtet von der Max-Planck-Gesellschaft, die heute den Start der Initiative auch bekanntgegeben hat.

Zielsetzung

Die Einrichtungen haben in einer „Expression of Interest“ erklärt:

We aim to transform a majority of today’s scholarly journals from subscription to OA publishing in accordance with community-specific publication preferences. At the same time, we continue to support new and improved forms of OA publishing.
We will pursue this transformation process by converting resources currently spent on journal subscriptions into funds to support sustainable OA business models. Accordingly, we intend to re-organize the underlying cash flows, to establish transparency with regard to costs and potential savings, and to adopt mechanisms to avoid undue publication barriers.
We invite all parties involved in scholarly publishing, in particular universities, research institutions, funders, libraries, and publishers to collaborate on a swift and efficient transition for the benefit of scholarship and society at large.

Wesentlich daran ist die Orientierung auf eine Umstellung des bestehenden Status unter Einbeziehung der jetzigen Akteure (inkl. Verlage) und mit den derzeitigen finanziellen Mitteln. Wichtig und im Kontext der sowohl der Open APC Initiative als auch von ESAC (jetzt im INTACT-Projekt) immer wieder betont: Transparenz über die Kosten und Abläufe.

Die Leibniz-Gemeinschaft, der die TIB angehört, ist Erstunterzeichnerin der heute veröffentlichten „Expression of Interest“. Aus Deutschland gehören auch z.B. die Helmholtz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Hochschulrektorenkonferenz und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zum Kreis der Unterzeichnenden.

Eine Roadmap zur Open-Access-Transformation

Zur Erreichung dieses Ziels wird eine Roadmap vorgeschlagen, die zur kontinuierlichen Überarbeitung vorgesehen ist – ein „living document“.

Ein wesentlicher Punkt steht gleich zu Beginn: „The transformation must start with the libraries“. Die Analyse zielt darauf ab, dass es immer noch die Bibliotheken sind, die Milliarden für Subskriptionszeitschriften aufwenden und die mit dazu beitragen, dieses System weiterlaufen zu lassen. Auch die Schritte zur Umschichtung in Richtung Open Access würden zu zögerlich angegangen:

However, most research libraries in the world are still deeply grounded in the subscription system and have yet to recognize and adopt the goal of transformation to an open access publishing system. Even those institutions where open access support schemes are in place have an only moderately developed understanding that their current acquisition budget and licensing practices are inevitably linked to open access.

Der Absatz schließt mit einem Appell an Bibliotheken: „Their implicit challenge is that they must evolve their roles, responsibilities, profiles and workflows.“

Thematische Bereiche

Die Roadmap listet fünf thematische Bereiche, in denen Aktivitäten stattfinden sollten:

  1. Framework: Netzwerke auf nationaler und internationaler Ebene, Etablierung eines „nationalen Kontaktpunkts“ für die Transformationsinitiative
  2. Analysis: mehr Informationen erlangen und auswerten über das Publikationsverhalten und die Kosten des Publizierens
  3. Re-organization: nachhaltige und professionelle Ausrichtung der finanziellen Abwicklung, keine Trennung zwischen Subskriptions- und Open-Access-Mitteln, Unterstützung von anderen Geschäftsmodellen als pro Artikel zu zahlenden APC, Kappung der APC-Höhe
  4. Negotiation: Open-Access-Konditionen in Verlagsverträgen adressieren
  5. Sharing: Austausch mit anderen Akteuren

Was ist neu?

Es wird sich zeigen, wie viele Organisationen sich hinter diesem Ziel versammeln und ob es eine weitere Erklärung zu Open Access braucht. Die Ausrichtung dieses Papiers ist drängender als frühere Papiere. Für Bibliotheken ist dies (hoffentlich) ein Weckruf: Auf politischer Ebene, aber auch bei Wissenschaftsorganisationen, wächst der Druck, schneller mehr Open Access zu erreichen. Dies mag an mancher Stelle auch dazu führen, dass Prozesse zentraler ablaufen und dass andere Probleme aus dem Blick geraten. So ist die Ausrichtung der Initiative stark auf eine Analyse der MPDL gestützt, nach der ausreichend Geld im Subskriptionsmarkt sei, um flächendeckend auf Open Access umzustellen. Eine Kostensenkung spielt keine relevante Rolle, und auch die Konzentration bei großen Wissenschaftsverlagen wird auf diese Weise nicht hinterfragt. Eine Öffnung für andere Publikationsmodelle ist nur am Rande untergebracht, und der Status Quo von Verlagen, Bibliotheken und Forschungseinrichtungen würde nicht grundsätzlich angetastet.

In jedem Fall ist es ein starkes Zeichen, dass die großen Forschungsorganisationen sich deutlich hinter dem Ziel versammeln, schnell und umfassend auf Open Access umzusteigen.

... leitet den Bereich Publikationsdienste der TIB und koordiniert deren Open-Access-Aktivitäten.

https://orcid.org/0000-0002-5111-2788