NL + EU = OA? – Niederländische EU-Ratspräsidentschaft: Durchbruch für Open Access?

Am 1. Januar werden die Niederlande für ein halbes Jahr den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernehmen. Für die Bemühungen um einen möglichst ungehinderten Zugang zu den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung ist das eine gute Nachricht. In einer gemeinsamen Erklärung betonten Carlos Moedas, EU-Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation, und Sander Dekker, niederländischer Staatssekretär für Bildung, Kultur und Wissenschaft, die Bedeutung von Open Access (OA) für die europäische Forschung und appellierten an die Verlage, ihre Geschäftsmodelle an die Realitäten des 21. Jahrhunderts anzupassen. Dekker bezeichnete dabei Open Access als einen Schwerpunkt der niederländischen Ratspräsidentschaft.
Natürlich werden große Ankündigungen in der Politik selten 1:1 umgesetzt, dass die Hoffnung aber nicht ganz unbegründet ist, zeigen die Beispiele aus den Niederlanden. Politik und Hochschulen ziehen hier an einem Strang, um das wissenschaftliche Publikationswesen ganz auf Open Access umzustellen. 2016 sollen 60 %, 2024 100 % der mit öffentlichen Mitteln entstandenen Publikationen frei zugänglich sein, so das ehrgeizige Ziel. Es wurden bereits mehrere Abkommen mit großen Verlagen, sogenannte “Big Deals”, geschlossen, die den Übergang zu Open Access ohne Steigerung der Kosten ermöglichen sollen. Kürzlich wurde so eine Einigung auch mit Elsevier erzielt, einem Wissenschaftsverlag, der zwar in den Niederlanden sitzt, bislang aber eher für seine hohen Renditen als für seine Open-Access-Freundlichkeit bekannt war. Die Ernsthaftigkeit der niederländischen Regierung zeigt sich auch in Details: Die Inhalte der Webpräsenz der Ratspräsidentschaft stehen beispielsweise unter einer freien Lizenz.
Auch auf europäischer Ebene bekennt man sich zu Open Access. In den Förderprogrammen FP7 und Horizon 2020 ist die Veröffentlichung der Ergebnisse im Open Access Pflicht. Mit OpenAire wurde eine Plattform geschaffen, die frei zugängliche Repositorien, Archive und Zeitschriften vernetzt. In der Summe besteht also durchaus die Hoffnung, dass 2016 in der EU nicht nur kleine Schritte, sondern der eine oder andere große Sprung in Richtung Open Access möglich ist.
... arbeitet im Bereich Publikationsdienste der TIB und ist insbesondere für Beratung und Schulungen zum Thema Open Access zuständig.
Die Ratspräsidentschaft der NL ist eine Chance, Open Access ernsthaft und nachhaltig in der Europäischen Forschungslandschaft zu verankern. Was bisher in mehr als 10 Jahren passierte ist dagegen dünn: Erklärungen, Aufforderungen, Memoranden oder Interessenbekundungen, bei denen die Verfasser “um jedes Komma” feilschen, wie zuletzt anlässlich der (nicht offenen) Berlin 12 Konferenz im Dezember. Worte, statt Taten. Alles das hat OA kaum weiter vorangebracht: der Anteil an OA in der Wissenschaft liegt derzeit weltweit nur bei 13%. Werden Forscher vor die Wahl gestellt, wo sie publizieren, ist das Kriterium “Open Access” meist nachrangig, egal wie enthusiastisch der Verfasser die Ideale einer Wissenschaftskultur mit frei zugänglichen Publikationen vorher vertreten hat. Es fehlt ein klares Konzept zur Inzentivierung von Forschern, die OA veröffentlichen. Hierzu gab es kaum Impulse der OA-Advokaten, die sich inzwischen in OA-Büros oder Koordinationszentren fest organisiert und professionalisiert haben, aber sich eher mit sich selbst beschäftigen, als konkrete Lösungen anzubieten. Wer die jüngst beschlossene “OA-Strategie für Berlin” gelesen hat (https://goo.gl/KYBhb5), und zum Beispiel die Stellungnahme des Helmholtz-OA-Koordinationsbüros (https://t.co/AjenJ2mLNs) muss ernüchtert sein: wachsweiche Formulierungen, statt klare Vorgaben, wie sie seit 2014 in Holland gelten, und Ziele, die weit hinter dem zurück bleiben, was in den NL bereits gilt: so ist in der Berliner Strategie von 60% OA bis 2020 die Rede (“sollte”), ohne überhaupt zwischen goldenem und grünem Weg zu differenzieren — in Holland fordert das entsprechende Dokument, dass 60% der Publikationen “unmittelbar” (also Gold OA) bis 2016 erreicht sind. Was für ein himmelweiter Unterschied und was für eine traurige Bilanz für diejenigen, die OA vorantreiben sollten. Und erstaunlich, dass die holländischen Benchmarks überhaupt nicht berücksichtigt wurden, weder in der Strategie, noch in der Stellungnahme dazu (Links s.o.). Ist das nun Ignoranz oder Unvermögen oder gibt es nachvollziehbare Gründe dafür? Die Erklärung bleibt offen, und wir bleiben skeptisch, ob und wie neue Impulse ab 2016 in D dann umgesetzt werden sollen, wie diese Beispiele zeigen.
Hoffen wir aber, dass es nun entscheidende Impulse gibt und die holländischen Protagonisten von OA, die bereits bewiesen haben, dass sie nicht nur reden, sondern handeln können, ihre Visionen 2016 auf europäischer Ebene umsetzen werden. Mit oder ohne diejenigen, die mehr als 10 Jahre dazu den Auftrag hatten.