Wikipedia und Open Access: gut füreinander, gut für die Gesellschaft

Als frei zugängliche und umfassende Online-Enzyklopädie ist Wikipedia heute wahrscheinlich der wichtigste Anlaufpunkt bei der Suche nach Informationen aller Art, insbesondere auch bei der Suche nach wissenschaftlicher Information. Ob diese korrekt und ausgewogen wiedergegeben wird, wird gerne und oft kontrovers diskutiert und auch systematisch untersucht. Misha Teplitskiy, Grace Lu und Eamon Duede von der University of Chicago haben sich in einer auf arXiv veröffentlichten Studie mit der Verbreitung von im Open Access veröffentlichten Forschungsergebnissen über Wikipedia beschäftigt. 

Dafür untersuchten sie, welche Quellen in Wikipedia-Artikeln zu wissenschaftlichen Themen zitiert werden und analysierten die 250 meistgenutzten Fachzeitschriften in 26 Fachgebieten und deren Verwendung in den 50 größten Sprachversionen der Wikipedia (auch wenn sie sich dann aus naheliegenden Gründen auf die englischsprachige Wikipedia konzentrieren). Untersucht wird, welchen Einfluss das Thema, der Status einer Zeitschrift (festgemacht am nicht unproblematischen Impact factor) und die Zugänglichkeit (gegen Bezahlung oder Open Access) haben. Da Wikipedia-Autorinnen und -Autoren ja nicht notwendigerweise im Wissenschaftsbetrieb tätig sind und damit Zugriff auf kostenpflichtige Quellen haben, ist die Vermutung naheliegend, dass vorzugsweise frei zugängliche Inhalte genutzt werden, während solche aus renommierten Zeitschriften, die meist nur über teure Subskriptionen zugänglich sind, unberücksichtigt bleiben. (Ob ein Autor einen zitierten Artikel tatsächlich gelesen oder nur den – frei zugänglichen – Abstract überflogen hat, ist natürlich eine andere Frage.)

Das Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Open-Access-Zeitschrift in Wikipedia zitiert wird, ist um 47 % höher verglichen mit kostenpflichtigen Journalen. Gleichzeitig werden aber auch Zeitschriften mit hohem Impact factor überdurchschnittlich oft zitiert, was den oben genannten Vorwurf entkräftet. Wikipedia macht also einerseits hinter einer Paywall „versteckte“ Inhalte (wenn auch indirekt) allgemein zugänglich und fördert andererseits die Verbreitung von Open-Access-Inhalten. Während der Einfluss von Open-Access-Publikationen innerhalb der Wissenschaft umstritten ist – manche Studien finden, dass Open-Access-Publikationen häufiger zitiert werden, andere sehen keinen solchen Effekt – trägt Open Access offenbar dazu bei, wissenschaftliche Informationen in eine breite Öffentlichkeit zu tragen.

Eine weitere Weise, wie Open Access und Wikipedia Hand in Hand wissenschaftliche Ergebnisse verbreiten, sind Bilder. Abbildungen aus Open-Access-Veröffentlichungen stehen wie die Texte häufig unter einer Creative-Commons-Lizenz, können also unter gewissen Bedingungen, wie etwa der Nennung der Urheber, frei weiterverbreitet und genutzt werden. So finden sich auf Wikimedia Commons, der zentralen Mediendatenbank aller Wikipedias, und in den entsprechenden Artikeln beispielsweise zahlreiche aktuelle Bilder des Homo naledi. Die aufsehenerregende Entdeckung dieser noch recht rätselhaften Menschenart wurde nämlich zur Abwechslung nicht in Nature oder Science, sondern in der Open-Access-Zeitschrift eLife veröffentlicht.

Das Hochladen von Bildern geschieht zum Teil automatisch: Ein Bot (ein kleines Compuerprogramm) sucht nach Bildern und Videos in Open-Access-Artikeln und lädt diese – wenn die Lizenz es erlaubt – nach Wikimedia Commons hoch. Mehrere weitere Projekte arbeiten an der Schnittstelle zwischen Open Access und Wikipedia, wie das WikiProject Open. In der gerade stattfindenden Open Access Week soll außerdem ein Edit-a-thon Open-Access-Themen in Wikipedia verbessern oder neu einbringen.

... arbeitet im Bereich Publikationsdienste der TIB und ist insbesondere für Beratung und Schulungen zum Thema Open Access zuständig.