Datenpublikationen als wissenschaftliche Leistung? Die DFG verabschiedet Leitlinien zum Umgang mit Forschungsdaten

Im digitalen Transformationsprozess der Wissenschaft ist ein Thema in aller Munde: Forschungsdaten, oder kurz gesagt: Jene Daten, die im Laufe eines Forschungsprozesses entstehen. Die Forderung nach der Bereitstellung und Nachnutzung dieser Daten wird von Politik und Forschungsförderern unterstützt. Doch wie sieht diese Unterstützung aus? Im vergangenen Jahr rief die Europäische Kommission das mit einem Budget von 80 Milliarden Euro schwerste EU-Förder- und Innovationsprogramm Horizon 2020 ins Leben und schrieb darunter ein Pilotprojekt zu offenen Forschungsdaten (Open Data Pilot) aus. So ist es in einigen Förderzweigen von H2020 Pflicht, z.B. bei den Zukunftstechnologien oder bei der elektronischen Forschungsinfrastruktur, die entstandenen Daten zu veröffentlichen und entsprechend nachzuweisen. Doch wie offen und nachnutzbar werden diese Daten letztendlich sein? Wie kann ein Forscher sicher sein, dass seine ‚Leistung’ der Datenerzeugung gewürdigt wird? Wie kann der Aufwand für deren Speicherung und (lebenslanger) Verfügbarkeit bemessen werden? Und: Wer zahlt am Ende? Mit dem Pilotprojekt erhofft sich die Europäische Kommission erste Antworten auf diese Fragen. Wir befinden uns also in einem wissenschaftspolitischen Lernprozess zum effizienten Umgang mit Forschungsdaten – vor allem aber zur Unterstützung der Wissenschaftler, deren Arbeitsenergie und Fleiß in der Erzeugung dieser Daten steckt. 

Forschungsdatenpublikation – bald eine anerkannte wissenschaftliche Leistung?

Auch hierzulande bemühen sich die entsprechenden Institutionen, wie etwa einer der größten Forschungsförderer wissenschaftlicher Projekte, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), um den besseren Zugang zu und die Nachnutzung von diesen Daten. So wurden Ende September 2015 die „Leitlinien zum Umgang mit Forschungsdaten“ verabschiedet. Diese bündeln erstmals die Empfehlungen, wie sie z.B. in den Rahmenbedingungen zur „Guten wissenschaftlichen Praxis“ oder in den „Richtlinien zum Umgang mit Forschungsdaten in der Biodiversitätsforschung“ dargestellt sind (DFG-Ankündingung: Information für die Wissenschaft Nr. 66 | 6. Oktober 2015).

Die Leitlinien bestehen aus drei Teilen:
Im ersten Teil werden -disziplinübergreifend- Antragssteller dazu aufgerufen, ein Konzept zum Umgang mit Forschungsdaten in den Bereichen

  1. Projektplanung und Antragsstellung“,
  2. Bereitstellung“ und
  3. Langfristige Sicherung

möglichst bereits zu Beginn eines wissenschaftlichen Projekts zu erarbeiten.

Zur Gestaltung eines solchen Datenmanagements und zu der Verfügbarkeit von Speicherinfrastrukturen (RADAR – Research Data Repository) hat die TIB schon in früheren Blogbeiträgen ausführlich berichtet.

Im zweiten Teil stellt die DFG Möglichkeiten dar, wie sie selbst als Forschungsförderer zur Anwendung der Leitlinien beiträgt.
So ist es möglich,

  1. Quellen zur „Unterstützung und Beratung“ u.a. anhand einer von der DFG bereitgestellten Übersicht einzusehen,
  2. die „Kosten für die Aufbereitung von Daten und für die Nachnutzung existierender Infrastrukturen“ im Rahmen eines Projektantrags aufzunehmen (prinzipiell förderfähig: Nutzungsgebühren entsprechender Infrastrukturen, z.B. Datenrepositorien, Personalkosten sowie projektbezogene Hard- und Softwarekomponenten), und
  3. eine „Förderung des Auf- und Ausbaus von Informationsinfrastrukturen

zu erhalten.

Der dritte Abschnitt enthält einen deutlichen Appell der DFG an alle wissenschaftlichen Disziplinen, in der es um die vielleicht wichtigsten Aspekte geht:

  1. Das in den Fachgemeinschaften seit Jahrzehnten gewachsene Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Kontrollprozesse auch auf den Bereich der Forschungsdaten anzuwenden (es sei hier nur das viel bewährte Peer-Review-Prinzip in seinen vielfältigen Ausführungen, z.B. ‚single-blind’, ‚double-blind’, und vermehrt auch ‚open’, erwähnt) und in Disziplinen, in den bisher Standards noch fehlen, diese (endlich) zu schaffen, und
  2. den Forschern auch endlich die Annerkennung, die Belohnung und die wissenschaftliche Wertschätzung für ihr Engagement zu geben, welches in stunden-, tage-, woche-, monate- oder gar jahrelanges Datenmanagment eingeflossen ist.

Doch wie kann eine solche Annerkennung aussehen? Eine Aufnahme einer ‚Datenpublikation‘ in den Curriculim Vitae oder den digitalen ‚Record’ geleisteter wissenschaftlicher Arbeit (angeboten z.B. über ORCID, ein Service der Wissenschaftlern die elektronische Zuordnung von Text- und Datenpublikation zur Ihrer Identität als Autoren ermöglicht), ist hier sicher nur ein erster kleiner Schritt.

Darüber hinaus ist eine weitreichende formale Anerkennung von Forschungsdaten im Reputationssystem der Wissenschaft notwendig. Dieses ‚Umdenken’ im wissenschaftlichen System muss jedoch aus der betroffenen Fachgemeinschaft heraus entstehen – nur so ist es nachhaltig. Diese Erkenntnis ist auch bei den Forschungsförderern angekommen: so definieren die vorgestellten Leitlinien „lediglich einen übergeordneten Handlungsrahmen (…), dessen konkrete fachspezifische Ausgestaltung in Eigenverantwortung der unterschiedlichen Wissenschaftsbereiche geleistet werden müsse.

Die digitale Technologie reformiert das gesamte wissenschaftliche Umfeld. Darum müssen – auch vor dem Hintergrund zunehmender kommerzieller (Daten)Interessen – Wissenschaftler, öffentlich geförderte Institutionen und Universitäten, Forschungsförderer, Fachgemeinschaften und Bibliotheken zusammen arbeiten. Das Ziel (und darum geht es doch letztendlich): unsere Lebensstandards durch eine effiziente wissenschaftliche Forschung nachhaltig und dauerhaft zu bewahren und weiterzuentwickeln.

Open Science für Forschungsdaten als gelebte wissenschaftliche Praxis – ein (wissenschafts)politischer Wandel, der noch einiges an Zeit und engagierten Köpfen brauchen wird – die DFG hat eine wichtige Rahmenbedingung festgelegt – Einsatz folgt!

... leitet das Lab Research Data Services an der TIB.