Wie und wo lernen Studierende heute? Und was bedeutet das für die Universität und ihre Bibliothek?

Universitäten sollten 0,13 studentische Arbeitsplätze pro Student bereitstellen, so eine aktuelle Studie der HIS. Und: Studierende lernen am liebsten Zuhause.
Was bedeuten diese Befunde für die LUH und ihre Studierenden?

„Orte des Selbststudiums.“ So lautet der Titel einer aktuellen Studie, die die Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) jüngst veröffentlicht hat. Das Forscherteam um Dr. Bernd Vogel ging dabei der Frage nach, wo Studierende studiumsbezogen Zeit verbringen, für welche Tätigkeiten sie die Zeit konkret nutzen und in welchem Umfang sie dies tun.

Befragt wurden bundesweit 35.000 Studierende, 6000 Rückantworten konnten schließlich zur Auswertung herangezogen werden. Die Ergebnisse zeichnen ein Bild, welches sich in zentralen Punkten mit den Beobachtungen von Hochschulmitarbeitern deckt:

Der Arbeitsaufwand des Studiums hängt stark vom gewählten Fach und der Anzahl der absolvierten Fachsemester ab. So haben Studierende der Medizin den höchsten Zeitaufwand bezüglich der Lehrveranstaltungen, Studierende der rechtswissenschaftlichen Fächer müssen am meisten Zeit ins Selbststudium investieren. Generell ist der höchste Arbeitsaufwand am Anfang und am Ende des Studiums zu verzeichnen.

Zusätzlich zur Fächerwahl ist auch der Hochschultyp entscheidend: Studierende an Fachhochschulen verbringen anteilig mehr Zeit in Lehrveranstaltungen als ihre Kommilitonen an Universitäten. Diese wiederum wenden mehr Zeit fürs Selbststudium auf.

Neben möglichen Schlussfolgerungen auf die Studienorganisation ist für die Hochschulen besonders interessant, wo Studierende lernen. Der klassische Lernort ist der Platz im Lesesaal einer Bibliothek, der Evergreen der heimische Schreibtisch. Bisher waren dies nur Erfahrungswerte, belastbare Daten gab es dazu nicht. Die HIS wollte mit ihrer Studie diese Lücke schließen, indem sie Studierende befragte, wie lange und wofür sie an bestimmten Orten verweilen. Neben zeitlichem Aufwand für Lehrveranstaltungen und Selbststudium wurde fachspezifisch erhoben, welche Orte die Studierenden für ihr Selbststudium aufsuchen. Es zeigt sich, dass die Bibliothek neben den eigenen vier Wänden der mit Abstand beliebteste Lernort ist, der dementsprechend von Studierenden auch am längsten genutzt wird (bis zu 8 Stunden pro Woche). Aber: nur 58 Prozent der Studierenden suchen die Bibliothek überhaupt auf. Auf Hochschulebene wird der Kontrast noch deutlicher: Studentische Arbeitsplätze an Universitäten werden nur von rund 40% Studierenden genutzt, an Fachhochschulen von 37%. Was bedeut das nun für die Hochschulen und ihre Flächenbedarfsplanungen?

Lernort ist nicht gleich Lernort

Die Forschergruppe ermittelte aus den Daten der Studie sogenannte Platzfaktoren. Diese bilden eine empirisch ermittelte Berechnungsgrundlage dafür, wie viele studentische Arbeitsplätze eine Hochschule für die jeweiligen Fächergruppen idealerweise anbieten sollte. Für Universitäten wurde ein Faktor von 0,13 veranschlagt, d.h. sie sollten 13 studentische Arbeitsplätze pro 100 Studierende anbieten.

Wendet man diesen Wert auf die Leibniz-Universität an, so müssten für die 21.478 im Sommersemester 2013 eingeschriebenen Studierenden insgesamt 2792 studentische Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Rein rechnerisch ist die Hochschule gut aufgestellt: Allein 1863 Arbeitsplätze stellt die TIB/UB bereit, dazu kommen rund  2700 weitere Plätze auf studentischen Arbeitsflächen der Universität.

Aber wie sieht die Realität aus?

Studierende an der Leibniz-Universität. [Quelle: Christian Malsch/elsa]
Studierende an der Leibniz-Universität. [Quelle: Christian Malsch/elsa]
Spätestens wenn die Prüfungszeit ansteht, sind alle studentischen Arbeitsplätze belegt. Studierende sitzen in den Gängen auf dem Fußboden, auf Fensterbrettern und Heizkörpern. Die Mensa wird zum Studierzimmer, Cafés und Bars in der Umgebung ebenfalls. Keine besonders komfortable Situation.

Neben studiumsbedingten Auslastungsspitzen spielen Faktoren wie räumliche Nähe zu den Lehrveranstaltungen, Ausstattung der Arbeitsplätze, Öffnungszeiten sowie Zugriff auf Ressourcen wie Bücher, aber auch Infrastruktur (Kopierer, Verpflegungsangebote, etc.) eine große Rolle. Nicht jeder Arbeitsplatz ist gleich attraktiv, nicht jeder Arbeitsplatz gleichermaßen nachgefragt. Die Universitäten müssen nicht nur darüber nachdenken, wie viel sie den Studierenden anbieten, sondern auch was und in welcher Qualität. Ziel sollte sein, den Studierenden Arbeitsumgebungen zu schaffen, die sie in ihrem individuellen Lernprozess fördern. Und genau da liegt des Pudels Kern: Wie lernen Studierende heutzutage? Welche Technik nutzen sie, welche Infrastruktur, wann, wie, und warum? Und vor allem: Was erwarten die Studierenden von ihrer Hochschule bezüglich des Lernumfelds?

Diese Fragen vermag die HIS-Studie nicht zu beantworten. An dieser Stelle müssten die Hochschulen selbst aktiv werden, denn aus dieser generalisierten Studie, die mehr nach Quantitäten als nach Qualitäten fragt, können keine standortspezifischen Bedarfe abgeleitet werden.

Die TIB/UB hat in den letzten Jahren ihr Angebot an studentischen Arbeitsplätzen erweitert und wird dies natürlich auch künftig im Rahmen der Möglichkeiten tun. Die seit Oktober 2012 laufenden Baumaßnahmen in Haus 1 haben zum Beispiel zum Ziel, die Lesesäle zu einer modernen und nutzerorientierten Lernumgebung mit einem differenzierten Arbeitsplatzangebot umzugestalten. Mit dem neuen Kleinen Lesesaal inkl. der Studienkabinen und dem neuen Gruppenarbeitsraum 3 sind bereits Teilabschnitte fertiggestellt. Mit dem anstehenden Beginn des dritten Bauabschnitts wird als nächstes der Große Lesesaal renoviert und lernfreundlich umgestaltet. Detaillierte Informationen dazu –  auch zu den leider notwendigen Beieinträchtigungen und Einschränkungen während der Bauphase – folgen in Kürze.

Quellen: