Von der Kathedrale zum Basar: Wie können wir Wissensressourcen ohne Printmonopole herstellen und verbreiten?

Spätestens als der Brockhaus im Herbst 2008 zugestand, dass er gegen Google und Wikipedia keine Chance mehr habe, war es offiziell: Auch ein Filetstück des traditionellen Informationsmarktes bleibt von der Internet-Revolution nicht verschont. Die intellektuelle Arbeit, ein Lexikon zu schreiben und kontinuierlich zu verbessern, verschwindet nicht. Aber die Medienrevolution des Internets eröffnet einen neuen Horizont — auf einmal lohnt es sich, die Frage wie man eine solche Wissensressource herstellt, neu zu stellen, und es mit neuen Antworten zu versuchen.

Doch neben den Lexika stehen auch andere Informationsmärkte mit dem Internet vor völlig neuen Bedingungen. Im Markt der Wissenschaftsjournals, in denen einige wenige Verlage mit großen Journalfamilien z.T. schon in den 90er Jahren den Umstieg auf online gemeistert und mit in den Himmel wachsenden Preisen tausenden Unibibliotheken weltweit ihre Paywalls verkaufen, betraten in den Jahren 2000 und 2001 neue Pioniere die Bühne. Mit PLOS und PubMed Central traten zwei Wissenschaftsverlage in den Wettbewerb, die qualitätsgesicherte neue Forschungsergebnisse nicht mehr verkauften, sondern direkt online gratis zugänglich machten. Doch konnte das funktionieren?

Auch diese Frage wurde im Herbst 2008 endgültig beantwortet: Der zweitgrößte Wissenschaftsverlag der Welt, Springer, kaufte PubMed Central auf. Nicht, um sich der Konkurrenz zu entledigen, sondern um die lukrative Journal-Familie im Open Access-Modus weiterzubetreiben. Heute gibt es bereits mehr als 9.000 Open Access Journals weltweit.

Gerade im Bereich der Wissenschaftsinformationen hat sich eine Fülle von Open Access-Geschäftsmodellen entfaltet. Um nur fünf Modelle zu nennen, mit denen wir hier an der TIB Hannover z.T. eng involviert sind:

Der Wandel zu öffentlich im Netz hergestellten oder verbreiteten Wissensressourcen ist also sowohl im Bereich des Fakten- und Überblickswissens der Lexika als auch im Bereich der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse mächtig in Gang gekommen. Im zweiten Bereich mag die Entwicklung nicht ganz so schnell passieren — aber sie passiert. Die Vielfalt der Open Access-Geschäftsmodelle stimmt optimistisch, dass es auch so weitergeht.

Wikipedia: Open Educational ResourcesDoch wie sieht es im Bereich der Lehr- und Lernmaterialien aus? Ihre Herstellung und Verbreitung ist heute noch größtenteils als traditioneller Informationsmarkt organisiert: Für den Zugang zu diesen Wissensressourcen wird bezahlt. Wenn die Cape Town Open Education Declaration (2008) recht hat, dann liegt die Relevanz von Bildungsmaterialien und -möglichkeiten in ihrer lokalen Anwendbarkeit. Umso schlimmer, dass ausgerechneter dieser Informationsmarkt immer noch von Printmonopolen dominiert wird. Lehrende und Lernende müssen der Cape Town Declaration zufolge erkennen, dass und warum

„(…) jeder die Freiheit haben sollte, Bildungsmaterialien zu nutzen, zu verändern, verbessern und weiterzugeben — ohne Einschränkungen.“

Mit Projekten wie dem Schulbuch-O-Mat kommt auch in Deutschland  in letzter Zeit allmählich dieses Bewußtsein auf. Angesichts solcher Projekte wird schnell klar: Lehr- und Lernmaterialien zu produzieren bedeutet, in einem hoch kooperativ und arbeitsteiligen Prozess ein Wissensgebiet passend für lokal und individuell unterschiedliche Lernniveaus und -kontexte aufzubereiten.  Aber kann man gerade das mit den Möglichkeiten des Netzes nicht anders und viel besser tun? Dies zu beweisen ist die Herausforderung der Open Educational Resources-Bewegung.

Vielleicht läßt sich dabei auch vom (relativen) Erfolg von Open Access — im Sinne des freien Zugangs zu Forschungsergebnissen — lernen? Das wollen wir im Rahmen einer offenen Online-Diskussion herausfinden:

Finanzierung von OER: Frei heißt nicht gratis

Online-Event: Podium mit Prof. Dr. Martin Gersch (FU Berlin), M.A. Lambert Heller (TIB Hannover), Dr. Conrad Lienhard (npo-consulting, Linz) und Dr. Michael Kopp (Universität Graz)

Moderator: Martin Ebner
Datum: Mittwoch, 5. Juni 2013
Uhrzeit: 16:00 Uhr

Nehmen Sie — kostenlos und ohne vorherige Anmeldung — teil, fragen Sie und diskutieren Sie mit!

Weitere Informationen finden Sie unter http://www.coer13.de/unit4.html.

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