Autorengebühren bei Open Access Journals: Ein Wettlauf nach unten

Open Access Journals sind wissenschaftliche Fachzeitschriften, deren Artikel weltweit frei online zugänglich sind. Solche Journals sind seit einigen Jahren ein wichtiger Trend, über den wir sicherlich noch häufiger hier im Blog berichten werden. Aktuell fällt uns das in dieser Woche angekündigte Journal-Startup PeerJ ins Auge, das einen „Wettlauf nach unten“ bei den Autorengebühren der OA Journals einläuten könnte. Worum geht es dabei?

Wie funktioniert Open Access überhaupt, sprich: Wie kann sich eine wissenschaftliche Fachzeitschrift finanzieren, die ihre Inhalte nicht an die Leser (eigentlich: Bibliotheken) verkauft? Die deutschsprachige Plattform open-access.net zählt diverse Geschäftsmodelle auf, die bereits verfolgt werden: Über Mitgliedschaftsmodelle und direkte Finanzierung durch Fachgesellschaften bis hin zu — wie oben bereits erwähnt — Autorengebühren. (Die Weiterentwicklung dieser Modelle ist an unserer Bibliothek übrigens ein großes Thema.)

Weltweit mehr als 7.500 Journals operieren mit einem Open Access-Geschäftsmodell. Grob überschlagen ist das mehr als ein Viertel des wissenschaftlichen Zeitschriftenmarktes. Viele von diesen Journals haben innerhalb weniger Jahre Renommee in ihrer Fachcommunity erlangt — und dennoch schaffen es die meisten, sich ohne Autorengebühren zu finanzieren. (Danke an Melanie Koch für den Hinweis.) Da, wo Autorengebühren verlangt werden, werden sie dem Autoren oft von dessen Hochschule oder einer Fördereinrichtung erstattet; „freischwebenden“ ForscherInnen werden die Gebühren von den Journals häufig erlassen.

Auf diesem jungen, komplexen und sehr dynamischen Markt der Open Access Journals tauchte nun diese Woche ein gänzlich neues Modell für Autorengebühren auf. Aufmerksamkeit verdient es schon allein wegen der Person dahinter. Peter Binfield ist in der Szene kein Unbekannter. Er war einer der Macher des sog. „Megajournals“ PLoS ONE. (Über das Konzept „Megajournal“ demnächst mehr hier im Blog.)

Der Claim seines neuen Unternehmens PeerJ: Wenn Firmen das Ziel verfolgen, für 100 $ ein menschliches Genom zu sequenzieren, dann muß es auch möglich sein, zu diesem Preis in einem wissenschaftlichen Journal zu publizieren. Ab Herbst diesen Jahres soll jedermann für 99 $ ein Leben lang ohne weitere Kosten in PeerJ veröffentlichen können.

„At some point, even Peerj’s proposition of lifetime publishing services for $100 may come to seem expensive.“ (Joseph Esposito)

Angesichts der Tatsache, dass manch renommiertes Open Access Journal Autorengebühren von 2000 $ pro Artikel nimmt, ist es durchaus möglich, dass hier ein Wettlauf der Autorengebühren nach unten beginnt. Stuart Shieber, Leiter des Office for Scholarly Communications der Harvard University Library, hatte in einem interessanten Blogartikel vor ein paar Wochen am Beispiel des Journal of Machine Learning Research (JMLR) gezeigt, dass auch hochwertige Journals heute zu überraschend geringen Kosten operieren können — dem Internet sei dank.

Eine weitere deutschsprachige Reaktion auf PeerJ, von Heinz Pampel, gibt es bei wisspub.net.

Nachtrag (15.5.2012): Beatrice Lugger veröffentlichte gestern einen weiteren lesenswerten Beitrag zum Thema, der auch auf die offene Frage nach dem Geschäftsmodell von PeerJ eingeht.

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