E-Books in wissenschaftlichen Bibliotheken

Mehr als 130 Bibliothekarinnen und Bibliothekare kamen am 18. und 19. März 2014 zur Veranstaltung „E-Books in wissenschaftlichen Bibliotheken“ ins Leibnizhaus nach Hannover.

E-Books sind heute aus Bibliotheken nicht mehr wegzudenken und ein wichtiges Thema in vielen Bereichen des Bibliotheksalltags. „Thema und Programm sind richtig gewählt“, erklärte Dr. Irina Sens, stellvertretende Direktorin der TIB, bei ihrer Begrüßung. Das zeige sich deutlich am großen Interesse an der ausgebuchten Veranstaltung, die von der Technischen Informationsbibliothek (TIB) und dem Verein Deutscher Bibliothekare (VDB) organisiert wurde. 
Auf dem Programm standen verschiedene Aspekte unter anderem zur Nutzung von E-Books, zu Erwerbungsmodellen und zu Lizenzverträgen – um nur einen kleinen Ausschnitt der Themenvielfalt zu nennen. Dr. Elzbieta Gabrys-Deutscher, VDB-Kommission für Fachreferatsarbeit und Leitung Wissenschaftlicher Dienst an der TIB, freute sich auf informative und interessante Vorträge und wünschte sich für die Veranstaltung und das gemeinsame Abendessen am ersten Tag einen regen Erfahrungsaustausch unter Kolleginnen und Kollegen.

Keynote-Sprecher Prof. Rudolf Mumenthaler
Keynote-Sprecher Prof. Rudolf Mumenthaler

Keynote-Sprecher Prof. Rudolf Mumenthaler (HTW Chur, Schweiz) eröffnete die Veranstaltung mit seinem Vortrag „E-Books im Kontext von wissenschaftlichen Bibliotheken“. Darin ging er auf die verschiedenen Erscheinungsformen, die Akzeptanz von E-Books und deren Nutzung in Deutschland ein. Mumenthaler zeigte auf, wie E-Books den bisherigen Kernbereich von Bibliotheken verändern und beschleunigen: E-Books haben Einfluss auf die klassischen bibliothekarischen Tätigkeiten – wie beispielsweise Erwerbung, Katalogisierung oder Bereitstellung – und stellen Bibliotheken vor neue Herausforderungen. Und auch bei der Vermittlung des E-Book-Angebots müssten neue Wege gegangen werden, etwa mit Aktionen wie E-Book-Wochen oder E-Book-Lesungen, so Mumenthaler.

Gabriella Padovan (ETH-Bibliothek Zürich, Schweiz) berichtete in ihrem Vortrag „E-Lending: Wissenschaftliche E-Books elektronisch ausleihen“ von dem an der ETH-Bibliothek durchgeführten E-Lending-Projekt. Im Rahmen dieses Projektes, das über eine Laufzeit von rund sieben Monaten lief, hatten externe Bibliothekskunden über das Wissensportal virtuellen, zeit- und ortsunabhängigen Zugang zu den erworbenen E-Books der ETH-Bibliothek. Das Angebot wurde gut angenommen und auch die abschließende Umfrage unter den Teilnehmern fiel positiv aus, so dass das als Projekt erprobte E-Lending den Nutzern im Sommer 2014 als reguläre Dienstleistung zur Verfügung stehen soll.

Dr. Michaela Hammerl (BSB München) beschäftigte sich in ihrem Vortrag „Geschäftsmodelle für E-Books: Erfahrungen aus dem Bayern-Konsortium“ mit der E-Book-Erwerbung an wissenschaftlichen Bibliotheken und der Vielfalt von E-Book-Modellen. Sie zeigte die Vor- und Nachteile verschiedener Erwerbungsmodelle auf und sprach derzeitige Problemfelder bei der E-Book-Erwerbung an. Am Beispiel des Bayern-Konsortiums erläuterte sie anschaulich verschiedene Varianten von E-Book-Konsortialabschlüssen.

Dirk Pieper (UB Bielefeld) schilderte in seinem Vortrag „PDA im Praxistest – nutzergesteuerte E-Book-Erwerbung an der UB Bielefeld“ die Erfahrungen, die die Universitätsbibliothek Bielefeld im Rahmen eines Projektes mit Patron Driven Acquisition (PDA) – der Erwerbung eines E-Books erst nach dessen Benutzung – gemacht hat. Pieper berichtete von der Projektidee und der Finanzierung über die Evaluation der Anbieter und die Auswahl zweier PDA-Modelle bis hin zur Auswertung und der sich daran anschließenden Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie für PDA.

Reiner Diedrichs (Verbundzentrale des GBV) präsentierte in seinem Vortrag „Dienstleistungen der Verbundzentrale rund um E-Books“ das Dienstleistungsspektrum der Verbundzentrale (VZG). Von der Konvertierung über das Einspielen von Metadaten bis zur bibliotheksspezifischen Erzeugung von Nachweisen – die VZG bietet Bibliotheken beim Nachweis von E-Books umfassende Unterstützung. Verbesserungspotenzial sieht Diedrichs besonders bei der Qualität und Aktualität der an die VZG gelieferten Metadaten, bei der Qualität der Lizenzangaben sowie bei der Automatisierung von Geschäftsgängen.

Der zweite Tag startete mit dem Vortrag „Neue Anforderungen bedingen neue Strukturen – der Geschäftsgang E-Book-Erwerbung an der UB Erlangen-Nürnberg“ von Dr. Rainer Plappert (UB Erlangen-Nürnberg), in dem Plappert berichtete, wie die UB Erlangen-Nürnberg bei der Erwerbung von E-Books vorgeht. Dort wurde ein Kompetenzteam E-Books aufgebaut, das für alle Tätigkeiten rund um E-Books verantwortlich ist. Das Team ist zuständig für die Vorakzession, die Prüfung und Festlegung des Beschaffungsweges, die lizenzrechtliche Prüfung, die Katalogisierung und die Metadateneinspielung über den Verbund, die Aufnahme in DBIS, die Inventarisierung, die Information der Nutzer und die Administration der Onlinezugänge.

Anke Rautenberg (UB Konstanz) stellte in ihrem Vortrag „Lizenzverwaltung“ die Lizenzverwaltung Filero vor, die die UB Konstanz seit 2010 nutzt. Das System bietet eine einheitliche Ablage der Lizenzverträge, eine frei modellierbare Archivstruktur, ermöglicht das Speichern jeder Art von Daten, verfügt über eine Volltextsuche, die alle Felder und Datei-Inhalte erfasst, und auch Erweiterungen sind jederzeit möglich. Alle Verträge seit 2010 sind in der Lizenzverwaltung erfasst, inzwischen auch alle Verträge für E-Books und Zeitschriften. Nach vier Jahren Erfahrung mit der Software ist das Fazit von Anke Rautenberg positiv, denn dank der zentralen Ablage sind Verträge sowie Vereinbarungen und Korrespondenzen zu den Verträgen schnell zu finden.

Dr. Oliver Obst (ULB Münster) stellte in seinem Vortrag „Die iPad-Toolbox ‚easyphysikum‘: Das Lehrbuch der Zukunft?“ das Projekt „easyphysikum“ an der Zweigbibliothek Medizin der ULB Münster vor. Das Projekt, das im April 2014 startet, soll Studierende der Medizin beim Bestehen des Physikums (4. Semester) unterstützen. Die Idee: Die Studenten bekommen über ein Tablett Zugriff auf die wichtigsten Lernressourcen – zum Beispiel auf E-Books, Vorlesungsskripte, die sogenannten Kreuztools zur Examensvorbereitung und Apps zur Studienorganisation – und können diese entweder auf ihrem eigenen Tablett nutzen oder erhalten für das Prüfungssemester ein Leih-iPad von der Bibliothek.

Prof. Sebastian Mundt (Hochschule der Medien Stuttgart) gab in seinem Vortrag „Akzeptanz und Nutzungsperspektiven von E-Books in Lehre und Studium“ einen Einblick in die Ergebnisse der beiden – 2011 und 2012 unter Studierenden und Lehrenden durchgeführten – repräsentativen Umfragen, die Ursachen und Motive der Akzeptanz und Nutzung von E-Books ermittelt haben. Die Ergebnisse der Umfragen zeigen, dass E-Books von Lehrenden häufiger genutzt werden als von Studierenden. Insgesamt machen die Ergebnisse jedoch deutlich, dass E-Books bei den Nutzern oft noch nicht angekommen sind. Hier sind Marketingmaßnahmen gefragt, mit denen das E-Book-Angebot der Bibliotheken bekannt gemacht wird.

Dr. Christoph Kümmel (Deutsche Forschungsgemeinschaft) informierte in seinem Vortrag „Digitale Medien und wissenschaftliche Nachfrage: E-Books im Rahmen der DFG-geförderten Fachinformationsdienste“ über das Förderprogramm „Fachinfomationsdienste für die Wissenschaft“. Ziel des Programms ist es, Wissenschaftlern unabhängig von Standort und Forschungseinrichtung schnellen und direkten Zugriff auf relevante Literatur und weitere Fachinformationen zu bieten. Kümmel erläuterte im Zusammenhang mit den geförderten Fachinformationsdiensten die E-only-policy, die Erwerbungsgrundsätze, die Aufgaben des Kompetenzzentrums Lizenzierung sowie die Umsetzung auf Fachebene.

Thomas Hartmann (Max Planck Digital Library, München) widmete sich in seinem Vortrag „Lizenzrecht für E-Books“ dem urheberrechtlichen Aspekt von E-Books: Bisher dürfen Lizenzen nicht ohne Zustimmung des Rechteinhabers weitergegeben werden. Aber nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 3. Juli 2012, das den Weiterverkauf von gebrauchter Software erlaubt, könne schon bald auch der Weiterverkauf von E-Books und Hörbüchern legal sein, so Hartmann. Eine solche Entscheidung bliebe auch für die E-Book-Nutzung nicht ohne Folgen: Laut Hartmann ergäben sich dadurch ganz neue Märkte, neue Anbieter, neue Geschäftsmodelle und auch neue Nutzungen.

Mehr als 130 Bibliothekarinnen und Bibliothekare informierten sich im Leibnizhaus über E-Books in wissenschaftlichen Bibliotheken.
Mehr als 130 Bibliothekarinnen und Bibliothekare informierten sich im Leibnizhaus über E-Books in wissenschaftlichen Bibliotheken.

„An zwei Tagen haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Vorträgen und Diskussionsbeiträgen viele interessante Informationen zu den unterschiedlichsten Aspekten von E-Books in wissenschaftlichen Bibliotheken erfahren“, lautete das Fazit von Dr. Elzbieta Gabrys-Deutscher zum Abschluss der Veranstaltung. Sie betonte, dass E-Books eine große Herausforderung seien und die Notwendigkeit von hoher Flexibilität und Veränderungsbereitschaft in Bibliotheken sehr deutlich machten. Gleichzeitig sei aber auch Stabilität ein wichtiger Faktor in Bibliotheken, denn ohne ein Mindestmaß an Stabilität sei weder Kundenbindung noch Personal- und Organisationsentwicklung möglich. „Ein wichtiger Schlüsselfaktor der Innovationsfähigkeit unserer Bibliotheken ist deshalb die ausgewogene Balance zwischen Flexibilität und Stabilität im Handeln“, so Gabrys-Deutscher. Sie versprach, dass die Kommission für Fachreferatsarbeit die Bibliothekarinnen und Bibliothekare auch in Zukunft mit praxisorientierten und bedarfsgerechten Fortbildungen unterstützen werde.

Die Vorträge der Veranstaltung „E-Books in wissenschaftlichen Bibliotheken“ stehen ab sofort auf der Webseite des VDB zur Verfügung: http://www.vdb-online.org/veranstaltungen/620/.