How to Discover a Particle

Update:  Unter dem Titel „Die Grenzen des physikalischen Wissens“ gibt es jetzt ein fünfminütiges Online-Interview des Journalisten Michael Kurth mit Prof. Lechtenfeld über die Erkenntnisgewinne der modernen Physik. Es wurde am 25.1.2013 bei NDR Info ausgestrahlt.

Vor zwei Wochen hielt Prof. Olaf Lechtenfeld im Rahmen der Ringvorlesung Wissensformen – Facetten der Weltaneignung einen Vortrag über Die Grenzen des physikalischen Wissens. In einem völlig überfüllten Hörsaal widmete sich Herr Lechtenfeld der Frage, was die Physik erklären kann. Meine Kollegin Esther Tobschall (Fachreferentin für Physik) und ich haben uns die Vorlesung angehört und für Sie gebloggt.

Gegen die postmoderne Infragestellung der Möglichkeit naturwissenschaftlichen Wissens seit den Neunziger Jahren betonte Herr Lechtenfeld, daß die Physik mehr ist als  rein zirkulär oder auf kulturellen Vorannahmen begründet. (Vgl. Eleganter Unsinn : wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen / Alan D. Sokal. – München : Beck, 1999) Physik erlaubt Prognosen und „funktioniert“ damit zum Zweck der Naturbeherrschung. Aber darüber hinaus seien die „meisten Erkenntnisse der Physik (…) genauer und sicherer als alles andere (Mathematik ausgenommen)“. Daß die Physik insofern auch mehr ist als eine bildhafte Bedienungsanleitung hat Lechtenfeld zufolge kaum jemand besser erklärt als der Physiker Richard Feynman (Wikipedia über Feynman, Feynman im TIB/UB-Katalog). Herr Lechtenfeld ließ ihn daher in einem Video zu Wort kommen:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=MO0r930Sn_8]

(Weitere von Herrn Lechtenfeld empfohlene Videos mit Feynman: The pleasure of finding things out und Fun to imagine.)

Allerdings beschränkt sich die Physik nicht darauf, Theorien zu erklären. Heute noch neue Erkenntnisse aus der Beobachtung der Welt zu gewinnen erfordert in einigen Fällen einen immensen Aufwand, wie das Beispiel des Large Hadron Collider (Website, Wikipedia, TIB/UB-Katalog) der „größten Maschine der Welt“ am CERN in Genf zeigt. Warum es ohne diese Maschine nicht geht konnte Herr Lechtenfeld ebenfalls mit einem Video („How to Discover a Particle“) vor Augen führen:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=6guXMfg88Z8]

 

Am San Diego Supercomputer Center wird ein anderer Weg des physikalischen Erkenntnisgewinns eingeschlagen. Hier wird die Entstehung des Universums selbst simuliert — anhand eines kleinen Ausschnitts, in dem die Verteilung von Energie und Materie nach dem Urknall „nachgespielt“ wird:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=NPiYHcL1Hxg]

 

Dass Physiker wissen, dass sie salopp gesagt zu 95% nicht wissen — in der Kosmologie gehören die Dunkle Materie und die Dunkle Energie zu den Known Unknowns — konnte Herr Lechtenfeld mit Unterstützung von Donald Rumsfeld trefflich illustrieren. Spannend und philosophisch relevant ist natürlich die Frage nach der Dark Knowledge, d.h. dem Wissen von dem wir nichts wissen. Zur Interpretation wissenschaftlicher Beobachtungen und Rechnungen gehöre demnach Skepsis: „Wissenschaft ist organisierter Skeptizismus.“ Manchmal gibt es banale Erklärungen für offenbar wundersame Erscheinungen.

Für uns als Bibliothekare war natürlich auch die Frage nach den Grenzen der Physik durch die Explosion des Wissens interessant: Gibt es zu viel (irrelevantes) Wissen, ist das Wissen zu komplex, um es noch allgemein vermitteln zu können und erschweren disziplinäre Grenzen und Spezialisierung der Forscher die Kommunikation in andere Teildisziplinen? Wissenschaft und Gesellschaft sollten im Idealfall nicht getrennt nebeneinander stehen sondern interagieren und sich vernetzen. Ein wichtiger Ausgangspunkt hierfür ist natürlich die Lehre. Schon bei Kindern kann Neugier geweckt und Begeisterung vermittelt werden. Oder wie Einstein sagte: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“

Die Art und Weise der Zusammenfassung hier zeigt vielleicht schon: Uns hat Herrn Lechtenfelds Vorlesung nicht nur ihres Inhalts wegen interessiert. Vielmehr fanden wir es auch spannend und einleuchtend, innerhalb eines frei gehaltenen Vortrag an passender Stelle ein Video vorzuführen.

Übrigens hatten auch Herr Lechtenfelds Folien einige Aussagen seines Vortrags gut illustriert. Wir haben Herrn Lechtenfeld nach den Folien gefragt, aber er will sicherheitshalber davon absehen sie zu veröffentlichen, um nicht versehentlich mit irgendeinem Bild das Urheberrecht zu verletzten. Das kann man gut verstehen, und es scheint uns auch darauf hinzuweisen, dass die Realität des Urheberrechts in Deutschland heute der Verbreitung von Wissen im Netz nicht sonderlich entgegenkommt.

... ist Fachreferentin für Physik und zuständig für die Nationale Kontaktstelle im Netzwerk arXiv-DH