„Wow, someone wants to publish me!“ — Revisited

Vor drei Jahren schrieb der Bibliothekar und Hochschuldozent Dale Askey in seinem Weblog ein lesenswertes Posting unter dem Titel Wow, someone wants to publish me!

Bei den regelmäßig wiederkehrenden Diskussionen über die schwierige Suche nach einem geeigneten Verlag im Kontext der TIB/UB-Workshops über Publikationsstrategien war mir Dale Askeys Beitrag wieder eingefallen. Unsere Überlegungen aus dem Workshop über diesen Wow-Augenblick und darüber, was hinter den verlockenden Angeboten mancher Verlage steckt, möchte ich in diesem Beitrag thesenartig zur Diskussion stelllen.

Bis vor wenigen Jahren war es das Geschäft sogenannter Zuschussverlage (auch bekannt unter dem englischen Fachbegriff Vanity Press), gegen Zuzahlung des Autors beliebige eingereichte Manuskripte zu drucken. Die Funktion des „Selbstverlags“ war damit quasi outgesourced, jeder konnte seitdem drucken und verkaufen lassen, was sie oder er wollte. Self Publishing, wenn man so will.

Seit es Print on Demand (PoD) gibt hat sich dieses Geschäft gewandelt. Bei diesem Verfahren lohnt es sich auch bei einer sehr geringen Auflage, eine digitale Kopie eines Buches vorzuhalten, denn das Buch wird nur auf Bestellung gedruckt und durch den Preis des Einzelexemplars gegenfinanziert. Wie bei der traditionellen Vanity Press geht der Verlag nicht in Vorleistung — aber anders als bei der traditionellen Vanity Press braucht auch der Autor oft keinen Zuschuß mehr zu bezahlen. Die jeweilige Publikation kann sich rein durch Verkaufseinnahmen finanzieren.

Heutzutage verschicken einige (keineswegs alle) Vanity-Press-Verlage, die mit PoD arbeiten, darunter die in Dale Askeys Beitrag erwähnte VDM Publishing Group, massenhaft scheinbar individuelle Anschreiben an Hochschul-AbsolventInnen. Mit diesen Schreiben wird bei den Adressaten der Eindruck erweckt, man sei ein Verlag, der Manuskripte nach Inhalt oder Qualität auswählt. Das verleitet viele zu einem raschen Vertragsabschluß — ohne das jeweilige Angebot genau abzuklopfen.

Mindestens vier Dinge sollte man vor der Entscheidung für einen Verlag jedoch prüfen:

  1. Wie sind die Bücher des Verlags aufgemacht, und wie teuer sind sie für den Leser? Längst können auch Verlage, die mit PoD arbeiten, gut aufgemachte Bücher zu (für die Leser!) günstigen Preisen anbieten. Ein schönes Beispiel dafür ist die Max Planck Research Library for the History and Development of Knowledge, über die Jörg Kantel (Schockwellenreiter) vor einiger Zeit bloggte. Bei den oben genannten pseudo-wählerischen Verlagen sieht es oft weit weniger gut aus. (Auf einem anderen Blatt stehen Lektorat, Textsatz, fachlich adressiertes Marketing etc.: Selbst bekannteste wissenschaftliche Verlage lassen Ihre AutorInnen das heute selbst erledigen oder lassen sich dies als gesonderte Dienstleistung bezahlen.)
  2. Gedruckt, gebunden, mit einer ISBN versehen und bei Amazon und Co. bestellbar zu sein läßt heute keinen Rückschluß mehr darauf zu, ob ein Buch etwas taugt oder nicht — siehe oben. Wer darauf hofft, durch die eigene Publikation auch wahrgenommen zu werden, sollte besser eine (im jeweiligen Fach) bekannte Verlagsmarke wählen. Als unbekannter Autor muß man allerdings damit rechnen, dafür einen Zuschuß zu zahlen. Oder man wählt einen Verlag oder eine Reihe, in der zumindest nur Dissertationen erscheinen — solche Verlage publizieren nicht ganz so beliebig und verlangen oft nur einen geringen Zuschuß.
  3. Verlangt der Verlag vom Autor die Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte? Viele Verlage tun dies nicht. Sie sollten sich, wenn es nicht unbedingt sein muß (siehe 2.), nicht darauf einlassen. Diese „exklusive Rechteübertragung“ bedeutet, daß Sie sich sich selbst — und sei es auf Zeit — die Möglichkeit nehmen, Ihr Werk im Netz frei zugänglich zu machen. Es nimmt Ihnen somit einen zunehmend wichtigen Weg, als Autor gelesen und überhaupt wahrgenommen zu werden.
  4. Der Verlag bietet das Buch relativ teuer im Buchhandel an, er ist keine (fachlich) bekannte Verlagsmarke, und/oder er verlangt die exklusive Rechteübertragung — aber dafür verspricht er Ihnen, Sie am Umsatz zu beteiligen? Überlegen Sie gut, ob sich das für Sie lohnt. Ihr Ruf und Ihre Sichtbarkeit als AutorIn könnte eine bessere Investition sein als der kurzfristige Gewinn aus dem Verkauf Ihrer Werke. Außer Sie heißen Joanne K Rowling.

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